Frühchristliche Fische: Grabungen geben Einblicke in den Kirchenbau
Archäologinnen und Archäologen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben bei Feldarbeiten eine frühchristliche Basilika im Südosten der Türkei erschlossen. Acht Wochen lang legten die Wissenschaftler um Prof. Dr. Engelbert Winter reich ornamentierte Mosaike mit Fisch-Darstellungen sowie bemalte Marmorreliefs frei. „Die Funde werfen ein neues Licht auf die Entwicklung des Kirchenbaus im Nahen Osten zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert nach Christus“, erläutert Engelbert Winter von der Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte.
Die Arbeit in Kooperation mit der türkischen Antikenverwaltung stand unter besonderen Vorzeichen. Aufgrund des Coronavirus‘ hatte die Sicherheit der Mitarbeiter höchste Priorität. „Wir mussten strenge Auflagen bei der Arbeit einhalten“, betont die stellvertretende Grabungsleiterin Dilek Çobanoğlu. Den Forschern gelang es, den östlichen Abschluss der Basilika mit einer gut erhaltenen Apsis vollständig auszugraben. Bereits in den vergangenen Jahren waren Teile der Basilika freigelegt worden. Sie zählt zu den größten innerstädtischen Kirchen aus dem spätantiken Nordsyrien. „Bemerkenswert ist vor allem der Mosaikboden der Apsis. Er zeigt eine Flusslandschaft, bevölkert von detailreich wiedergegebenen Fischen, Vögeln und Pflanzen“, erklärt Dr. Michael Blömer. „Gerahmt wird sie von aufwändig gestalteten Ornamentbändern. Immer wieder tauchen Flussbewohner auf, vor allem Fische, aber auch eine Garnele.“
Die Wände der Kirche waren mit Marmorplatten geschmückt. Die Forscher bargen hunderte von Fragmenten solcher Platten. Viele sind mit Reliefs geschmückt und weisen Reste von Bemalungen auf. Diese und weitere Funde geben neue Einblicke in die Ausstattung der Kirche. „Eine große Überraschung war zudem, dass die Kirche im Zentrum eines größeren Baukomplexes steht“, sagt Engelbert Winter. „Im Osten schließen sich weitere Raumfluchten mit Säulenstellungen und Mosaikböden an, deren Ausdehnung jedoch noch unbekannt ist und deren Funktion es im nächsten Jahr zu klären gilt.“
Hintergrund
Bereits seit 2015 untersucht ein internationales Team unter Leitung der Forschungsstelle Asia Minor der WWU die antike Stadt Doliche, die am Rande der modernen Metropole Gaziantep im Südosten der Türkei liegt. Doliche war eine Kleinstadt im Norden des antiken Syrien und besaß vor allem als religiöses Zentrum Bedeutung. Der Hauptgott der Stadt – Iuppiter Dolichenus – wurde in weiten Teilen des römischen Reichs verehrt. Übergeordnetes Ziel des mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Projekts ist es, die Entwicklung der Stadt und der Lebenswelt ihrer Bewohner von der hellenistisch-römischen Zeit über die christliche Spätantike bis in die frühislamische Epoche hinein zu erforschen.