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Münster (upm/sr/LUH)
Mithilfe solcher Luftfilter führten die Wissenschaftler die Isotopenmessungen durch.<address>© Dorian Zok/LUH</address>
Mithilfe solcher Luftfilter führten die Wissenschaftler die Isotopenmessungen durch.
© Dorian Zok/LUH

Radioaktive Wolke über Europa hatte zivilen Hintergrund

Isotopenmessungen an Luftfiltern: Forscher untersuchten bisher ungeklärten nuklearen Unfall / Studie in "Nature Communications"

Eine mysteriöse Wolke aus radioaktivem Ruthenium-106, die im Herbst 2017 über Europa zog, beschäftigt noch immer die Strahlenschutzeinrichtungen der betroffenen Länder. Die Konzentrationen des radioaktiven Stoffs waren zwar nicht gesundheitsschädigend, aber rund hundertmal höher als jene in der Wolke, die nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima über Europa zog. Da bislang keine Regierung die Verantwortung übernahm, konnte auch ein militärischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden.

Wissenschaftler der Leibniz Universität Hannover und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben jetzt herausgefunden, dass die Wolke aus sogenannten zivilen nuklearen Tätigkeiten stammte und damit nicht in einem militärischen Zusammenhang stand. Ein schlüssiges Szenario wäre demnach, dass das Ruthenium aus einer Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoff freigesetzt wurde. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen.

Hintergrund:

Eine Unterscheidung von zivilen oder militärischen Quellen ist allein mit Radioaktivitätsmessungen nicht möglich. Durch ihre Kooperation gelang es den Forschern des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz der Universität Hannover und des WWU-Instituts für Planetologie erstmals, die stabilen Ruthenium-Isotope, die zusammen mit dem radioaktiven Ruthenium freigesetzt werden, in Luftfiltern zu quantifizieren und in die Gesamtbetrachtung einzubinden.

Für den Erfolg der Studie war es nötig, das gewohnte fachliche Umfeld zu verlassen. „Normalerweise messen wir Ruthenium-Isotope, um die Entstehungsgeschichte der Erde zu erforschen“, sagt Prof. Dr. Thorsten Kleine von der WWU und zeigt auf, dass die für die Planetologie entwickelten Methoden auch dieses ungelöste Rätsel aufklären konnten. Die besondere Herausforderung lag darin, dass die Mengen an Ruthenium aus „nuklearem Hintergrund“ in winzigen Mengen und zudem verdünnt mit natürlich vorkommendem stabilem Ruthenium vorlagen.

Durch exakte chemische Abtrennung der Rutheniumfraktion aus den Luftfiltern und anschließenden massenspektrometrischen Hochpräzisionsmessungen gelang es den Forschern, den Anteil an stabilem Ruthenium aus der nuklearen Quelle fassbar zu machen. Die Verhältnisse der einzelnen Ruthenium-Isotope entsprechen dem Fingerabdruck einer zivilen Quelle, konkret der Signatur von abgebranntem Kernbrennstoff aus einem Atomkraftwerk. Ein militärischer Hintergrund, also die Produktion von waffenfähigem Plutonium, ist hingegen ausgeschlossen.

Die hohe Präzision der Messungen ermöglicht weitere Schlussfolgerungen. Prof. Dr. Georg Steinhauser von der Leibniz Universität Hannover präzisiert: „Der im Luftfilter gefundene Isotopen-Fingerabdruck zeigt keine Ähnlichkeit mit dem Kernbrennstoff von gängigen westlichen Druck- oder Siedewasserreaktoren, ist jedoch konsistent mit der Isotopensignatur bestimmter russischer Druckwasserreaktoren des Typs WWER, von denen weltweit rund 20 in Betrieb sind.“

Förderung:

Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch die „VolkswagenStiftung“ und den Europäischen Forschungsrat im Rahmen des „Seventh Framework Programme“.

Originalpublikation:

T. Hopp et al. (2019): Non-natural ruthenium isotope ratios of the undeclared 2017 atmospheric release consistent with civilian nuclear activities. Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-020-16316-3

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