Den Molekülen im Körper zuhören
Laserlicht, das man nicht sieht, und Geräusche, die man nicht hört – was Partygänger wohl spontan mit einer drögen Veranstaltung assoziieren, bringt die Augen so mancher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Leuchten. Denn aus genau dieser Kombination kann etwas entstehen, das umso sichtbarer ist: Bilder aus dem Körperinneren, die Aufschluss über die dort stattfindenden Prozesse geben. Fotoakustik, oder auch Optoakustik, nennt sich die Methode, die bereits seit einigen Jahrzehnten im Einsatz ist und bei der es vor allem um eins geht: die Klänge von Molekülen akustisch aufzunehmen. Anders als beim Ultraschall bringen Forscher und Ärzte jedoch keine Energie durch Schallwellen in den Körper, sondern durch Laserlicht. Moleküle reagieren darauf und setzen sich in Schwingung – und diese Schwingungen können wiederum mit einem Ultraschallgerät gemessen und in Bildern dargestellt werden.
Eine, die schon so manchen Klängen aus dem Körperinneren „zugehört“ hat, ist Alexa Hasenbach. Die Biologin hat sich in ihrer Doktorarbeit mit fotoakustischen Experimenten beschäftigt und war eine der ersten, die hierfür ein spezielles Gerät im European Institute for Molecular Imaging (EIMI) der WWU zur Verfügung hatte. Die Rede ist von der „Multispectral Optoacoustic Tomography“, kurz MSOT – eine Methode, die seit knapp eineinhalb Jahren die Bandbreite der präklinischen Bildgebungsinstrumente im EIMI erweitert. Das Besondere des Geräts ist zum einen seine Auflösung: Mit 512 Detektoren hat es doppelt so viele wie sein Vorgänger. Zum anderen sendet das System zusätzlich zum Laserlicht Ultraschallwellen aus. Die Wissenschaftler erhalten so nicht nur molekulare, sondern gleichzeitig auch anatomische Informationen aus dem Körper.
„Wir bekommen nun Einblicke, die wir zuvor für unsere Fragestellungen mit fotoakustischen Methoden nicht erhalten haben“, betont Alexa Hasenbach. Sie schaut auf ein Bild, das sie im Rahmen ihrer Forschungen aufgenommen hat: Es zeigt die Entzündungen im Kniegelenk einer Maus mit einer rheumatoiden Arthritis – verschiedene Farben von blau über grün und gelb bis hin zu rot geben Aufschluss über die Intensität der Entzündung. Daneben sind durch die zusätzliche Ultraschall-Anwendung auch Haut und Knochen zu erkennen, wodurch das Knie gut abzugrenzen ist.
Schon seit Jahren sind die Wissenschaftler im EIMI gemeinsam mit Forschern des Instituts für Immunologie den Entzündungen auf der Spur, die bei der rheumatoiden Arthritis auftreten. Zum Hintergrund: Bei der Autoimmunerkrankung sind es körpereigene Immunzellen, die Gelenke und Knorpel angreifen und Entzündungen verursachen. Um sie zu diagnostizieren und zu überwachen, setzen Ärzte üblicherweise Röntgen- und Ultraschallverfahren ein. Mit diesen Methoden ist es ihnen allerdings nicht möglich, die Aktivität der Entzündungszellen zu untersuchen. Gelingen würde das mit nuklearmedizinischen Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomografie – solche Methoden sind aber aufwendig und verursachen hohe Kosten. Fänden dagegen fotoakustische Verfahren den Weg in die Praxen, wäre es möglich, schon in einem viel früheren Stadium regelmäßig Bilder aufzunehmen, die Informationen über die Entzündungsstadien liefern. Ärzte würden nicht erst verlässliche Bilder erhalten, wenn bereits Knorpel oder Teile des Knochens zerstört sind und könnten früher Therapien einleiten.
Um herauszufinden, wie die Entzündungen bei der rheumatoiden Arthritis mit der fotoakustischen Bildgebung sichtbar gemacht werden können, hat Alexa Hasenbach in ihrer Doktorarbeit das Augenmerk auf spezielle Entzündungsmarker gelegt. Es handelt sich um Proteine, die von den Immunzellen ausgeschüttet werden. Sogenannte Tracer, an die zum Beispiel Farbstoffe gekoppelt sind, spüren diese Proteine auf und können in Bildern sichtbar gemacht werden. Die Technik ist für den Außenstehenden zunächst etwas gewöhnungsbedürftig: Im Inneren des Fotoakustik-Geräts befindet sich ein gewärmtes Wasserbad, um die Ultraschallwellen nicht durch Luft zu zerstören. Die zu untersuchenden Mäuse werden in Vollnarkose gelegt, beatmet und in einer Halterung mit einer dünnen durchsichtigen Wand ins Wasser getaucht, wo Licht und Ultraschall rundum auf sie einwirken und die akustischen Signale aufgenommen werden. „Ich bin mir der Verantwortung gegenüber den Versuchstieren bewusst“, betont Alexa Hasenbach. „Während der Versuche, aber auch davor und danach, beobachte ich sie intensiv und kontrolliere, ob es ihnen gut geht.“
Darüber hinaus besitzt das Gerät einen Detektorkopf, den die Wissenschaftler in der Hand halten, um die fotoakustische Untersuchung „an der frischen Luft“ durchführen zu können. „So würde man die Methode auch bei Patienten anwenden, wir haben hier also schon einen direkten Bezug zur klinischen Anwendung“, erklärt die Biologin. Die ersten solcher Geräte sind bereits in Krankenhäusern zu finden – zum Beispiel, um Metastasen in Lymphknoten zu untersuchen.
Bevor die Methode auch bei der Arthritis eingesetzt werden kann, sind noch weitere Experimente nötig. Da ihre Promotion fast abgeschlossen ist, wird Alexa Hasenbach die Arbeit im Labor nicht weiterführen, bleibt „ihrem“ Thema aber weiter treu: Sie hat bereits beim Hersteller des Fotoakustik-Geräts eine Stelle begonnen und wird dort unter anderem an der weiteren Entwicklung der Soft- und Hardware arbeiten. Ein Glücksgriff für die technikaffine Forscherin – so kann sie auch in Zukunft den Molekülen lauschen.
Autorin: Svenja Ronge
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, April 2020.