"Der motivierende Spruch am Badezimmerspiegel…"
Eine positive Lebenseinstellung gilt als Schlüssel für das Meistern von Stress- oder Prüfungsphasen. Aber gerade das Durchhalten bei langanhaltenden Durststrecken im Studium fällt oft schwer. Jetzt, wo es gilt, das „alte“ Jahr hinter sich und das neue motiviert anzugehen, geht manch einem der positive Blick verloren. Was Studierende tun können, um sich nicht vom bevorstehenden Jahreswechsel runterziehen zu lassen, dazu hat Juliane Albrecht den Stressforscher und Arbeitspsychologen Micha Hilbert befragt.
Wie kriege ich den positiven Blick konkret hin, wenn mich der stressige Alltag zermürbt?
Häufig ist es nicht die objektive Situation, sondern zu einem großen Teil auch die subjektive Bewertung der Situation, welche letztendlich Stress auslöst. Wenn wir vor Herausforderungen im Studium oder auf der Arbeit stehen, beginnen wir abzuwägen, ob unsere aktuellen Ressourcen beispielsweise in Form von Zeit, Fähigkeiten oder sozialer Unterstützung zum Bewältigen der Aufgabe ausreichen. Erst wenn wir zu dem Schluss kommen, dass wir aktuell nicht genügend Ressourcen zur Bewältigung aufbringen können, entsteht Stress. Optimismus hilft Menschen dabei eine positive Bewertung ihrer aktuellen Lebenssituation vorzunehmen. Wenn sich Aufgaben immer weiter anhäufen oder Deadlines näher rücken, kann es hilfreich sein sich vor Augen zu führen, dass man in der Vergangenheit bereits ähnliche Situationen gemeistert hat. Sich selber in Gedanken gut zu reden oder ein motivierender Spruch am Badezimmerspiegel sind weitere sehr einfache Möglichkeiten, um optimistischer zu denken, selbst wenn einem das anfangs etwas albern erscheint.
Welche Tricks sind aus der Arbeitspsychologie bekannt, um bei Druck im Studium oder bei der Arbeit psychisch gesund zu bleiben?
Kurzfristig steigert Stress unsere Leistung, wir fühlen uns wach und leistungsfähig. Dies ist allerdings ein Mechanismus, der nicht dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Langfristig kehrt sich der Effekt in das genaue Gegenteil um, wir fühlen uns erschöpft und ausgelaugt. Es ist bekannt, dass langanhaltender Stress ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung von psychischen Krankheiten ist. Daher ist regelmäßige Erholung, als Umkehr des Stressprozesses, zur langfristigen Förderung der eigenen psychischen Gesundheit unerlässlich. Dafür sollten Aktivitäten ausgesucht werden, die einem zu bestimmten psychologischen Erholungserfahrungen verhelfen. In bisheriger Forschung hat sich gezeigt, dass ein mentales Distanzieren und psychologisches Abschalten von studien- und arbeitsbezogenen Belastungen hilfreich für die individuelle Erholung ist. Darüber hinaus sind solche Aktivitäten zu empfehlen, die zu psychischer und physischer Entspannung führen. Beispiele hierfür sind die progressive Muskelrelaxation, achtsamkeits- und meditationsbasierte Methoden oder andere angenehme und ruhige Aktivitäten wie ein Spaziergang im Grünen. Ein Entspannungsgeheimrezept gibt es allerdings nicht, hier gilt: Probieren geht über Studieren. Auch Perfektionismus spielt eine große Rolle. Unrealistische Erwartungen und übertriebene Ansprüche an sich selbst können ursächlich für Stress sein. In der Regel kann man mit überschaubarem Aufwand bereits gute Leistungen erbringen, für herausragende oder perfekte Arbeiten entsteht allerdings ein überproportional großer Aufwand. Als Daumenregel fungiert hier die so genannte 80/20-Regel. Diese besagt, dass für 80 Prozent der Leistung lediglich 20 Prozent des Arbeitsaufwandes notwendig sind, im Umkehrschluss aber für die letzten 20 Prozent der Leistung 80 Prozent des Arbeitsaufwandes entstehen.
Wenn eine Phase der Anspannung, beispielweise bei Forschungsarbeiten, extrem lang wird, fällt es schwer motiviert zu bleiben. Was kann ich tun?
Ein konkretes Ziel vor Augen zu haben, hilft meist sich auch langfristig motivieren zu können. Hierbei hat sich die Technik der SMART-Ziele bewährt. Demnach sollten eigene Ziele Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert formuliert sein. Darüber hinaus ist es wichtig, dass man sich gegenüber diesem formulierten Ziel emotional verpflichtet fühlt – häufig spricht man hierbei auch von "Commitment". Ein Vertrag mit sich selbst oder ein Gespräch mit einem Austauschpartner kann dabei helfen, das eigene Commitment gegenüber den selbst formulierten Zielen zu erhöhen. Darüber hinaus sollten insbesondere größere und damit auch unübersichtlichere Projekte in Zwischenziele unterteilt werden. Fast jeder kennt das Phänomen, dass die Motivation hinsichtlich einer bestimmten Aufgabe meist erst kurz vor der jeweiligen Deadline ansteigt. Durch das Formulieren von terminierten Zwischenzielen, zerteilt man das Projekt in mehrere kleine Unterprojekte. Diese erscheinen uns besser händelbar, wir haben weniger Hemmung überhaupt erst anzufangen und schaffen uns mehrere kleine Deadlines, die motivierend wirken können.
Meist vergessen wir Zwischenerfolge angemessen zu feiern. Sich selbst zu loben und mit etwas zu belohnen, ist uns häufig eher fremd, aber zur langfristigen Förderung der eigenen Motivation sehr nützlich. Womit wir uns selbst gut belohnen können, ist eine Frage des Geschmacks. Ich selber schätze beispielsweise gutes Essen und gönne mir dies nach dem Erreichen eines Ziels.
Micha Hilbert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Carmen Binnewies in der Arbeitseinheit Arbeitspsychologie, beschäftigt sich in seiner Forschung insbesondere damit, inwiefern Umgebungsreize die individuelle Erholung beeinflussen. Bekannt ist etwa, dass sich Menschen im Grünen besser entspannen und von der Arbeit oder dem Studium distanzieren können, was sich wiederum förderlich auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.