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Münster.
Prof. Dr. Armin Schäfer<address>© MPIfG/Aydee</address>
Prof. Dr. Armin Schäfer
© MPIfG/Aydee

Armin Schäfer: "Die internen SPD-Konflikte schwelen weiter"

Politikwissenschaftler bewertet den bevorstehenden SPD-Bundesparteitag

Die große Koalition aus SPD und CDU/CSU ist seit mehr als anderthalb Jahren im Amt und arbeitet ihr im Koalitionsvertrag vereinbartes Programm ab. Dennoch steht das Regierungsbündnis derzeit in Frage - zumindest bei vielen Sozialdemokraten. Aus diesem Grund kommt dem bevorstehenden SPD-Bundesparteitag (6.-8. Dezember, Berlin) viel Aufmerksamkeit zu. Zu den Erwartungen sprach Juliane Albrecht mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Armin Schäfer, Vorsitzender der "Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft". An der Universität Münster ist er seit 2018 Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt "Vergleichende Politikwissenschaft".

Ist die knappe Parteivorsitz-Entscheidung zugunsten von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht ein Zeichen für eine weiterhin zerstrittene SPD, die einen echten Neuanfang schwer macht?

Tatsächlich gibt es weiterhin sehr unterschiedliche Auffassungen innerhalb der SPD, welche Politik notwendig ist, und ob die Entscheidung für die große Koalition richtig war. Diese Konflikte wären nur durch ein eindeutiges Wahlergebnis zumindest zeitweise befriedet worden – doch so schwelen sie weiter. Die Grundfrage, wie sich die SPD programmatisch aufstellen soll, wäre jedoch auch durch einen knappen Sieg des anderen Duos nicht beantwortet worden. Auffällig ist, dass die Funktionsträger in der SPD überwiegend das Team von Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz unterstützt haben. Das offenbart einen Konflikt zwischen denen, die Ämter innehaben, auf der einen Seite und der Parteibasis auf der anderen Seite.

Wie erklären Sie den Niedergang der SPD?

In Deutschland und vielen anderen Ländern beobachten wir, dass die Volksparteien schrumpfen. Die Milieus, die diese Parteien früher unterstützten, werden kleiner. Und es ist nicht gelungen, andere Gruppen im selben Maß an sich zu binden. So wählen auch heute noch Gewerkschaftsmitglieder überdurchschnittlich häufig SPD, doch die Bindung ist weniger eng als früher, und die Gruppe ist viel kleiner geworden. Dasselbe gilt für Katholiken, die regelmäßig in die Kirche gehen und früher in großer Zahl die Unionsparteien wählten.

Aber gibt es auch inhaltliche Gründe?

Neben diesen langfristigen gesellschaftlichen Veränderungen hat sich der politische Wettbewerb verändert. Neben die klassische Links-Rechts-Achse, bei der es um Marktregulierung und Verteilung geht, ist eine gesellschaftspolitische Achse getreten, die beispielsweise Fragen des Lebensstils, Umweltpolitik und die Zustimmung zur europäischen Integration umfasst. Für die Parteien ist es sehr viel schwieriger geworden, ein Gesamtprogramm zu finden, das die Bürger in beiden Dimensionen überzeugt. Wenn öffentlich vor allem über gesellschaftspolitische Fragen gestritten wird, kommt dies eher Grünen und AfD zu Gute, die auf diesen Feldern eindeutig Position beziehen.

An dem aufwändigen SPD-Parteivorsitz-Wahlverfahren wird deutlich, dass die Parteien es als sehr wichtig einschätzen, starke Persönlichkeiten in der ersten Reihe zu haben. Aber eigentlich will man doch lieber Themen ansprechen, oder?

Das würde ich nur zum Teil unterschreiben. Wichtig ist, dass Köpfe und Programme zusammenpassen. In den letzten Jahren hat die SPD beispielsweise immer wieder Kanzlerkandidaten aufgestellt, die dem eher konservativen Flügel der Partei zuzurechnen waren, die Partei hat sich aber gleichzeitig ein linkes Wahlprogramm gegeben. Doch die Menschen innerhalb und außerhalb der SPD sind nicht dumm - sie bemerken solche Widersprüche und empfinden das Gesamtpaket dann als nicht überzeugend. Im Gegensatz dazu passen im Moment bei den Grünen Inhalte und Personen gut zueinander.