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Münster (upm/nor)
Das Labor mit der Sicherheitsstufe III dürfen nur intensiv geschulte und mit einem speziellen Chip ausgestattete Mitarbeiter betreten.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Das Labor mit der Sicherheitsstufe III dürfen nur intensiv geschulte und mit einem speziellen Chip ausgestattete Mitarbeiter betreten.
© WWU - Peter Leßmann

„Keine Sorge – wir haben die Viren im Griff“

Serie "Unter Verschluss an der WWU": Im einzigen Hochsicherheitslabor wird an aggressiven Erregern geforscht

Es existieren so viele Fragen, die Stephan Ludwig umtreiben. So weit, so normal für einen leidenschaftlichen Wissenschaftler. Aber da gibt es diese eine, diese spezielle und große Frage, die es dem Professor und Molekularbiologen besonders angetan hat: Wie schaffen es Viren bloß, „diese winzigen Dinger“, wie er sie nennt, eine Körperzelle derart umzumodeln, dass sie sich dort vervielfältigen und einen Organismus krankmachen oder ihn sogar umbringen können? „Wir wissen noch so wenig über das Zusammenspiel zwischen dem Erreger, der Zelle und dem Organismus – das würden viele Kollegen und ich nur zu gerne umfassend verstehen“, betont Stephan Ludwig, der seit 2004 an der Universität Münster lehrt und forscht.

Möglicherweise liegt die Antwort, oder zumindest ein Teil davon, in diesem silbernen und etwa zwei Meter hohen Gefrierschrank. Man zuckt unweigerlich kurz zusammen und geht freiwillig 30 Zentimeter zurück, wenn Stephan Ludwig den auf minus 80 Grad heruntergekühlten Schrank kurz öffnet, mit der Hand durch die ausströmenden Kälteschwaden wischt und sagt: „Hier lagern hochaggressive Viren.“ Winzige Dinger also, die beispielsweise eine Influenza oder eine Vogelgrippe auslösen könnten. „Aber keine Sorge“, fügt er hinzu, „wir haben die Viren im Griff.“

Das glaubt man nach diesem Ortsbesuch im „Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung“ (ZMBE) gerne. Denn der Aufwand und die Regularien für einen Gang durch den Raum 120.134 sind enorm. Aus gutem Grund: Denn hinter der stets verschlossenen Stahltür liegt das einzige WWU-Hochsicherheitslabor mit der Sicherheitsstufe III – die Stufe IV ist das Maximum für sogenannte biologische Schutzstufen. Damit man im Notfall auch von außen sieht, was drinnen vorgeht und um miteinander sprechen zu können, ist ein schmales Fenster in die Tür eingelassen – unter dem Schild mit der Aufschrift „Feuerwehr Bio III“ ist an einer Türseite eine Gegensprechanlage angebracht.

Seit knapp 20 Jahren nutzen die Infektionsexperten aus den Instituten für Hygiene und Virologie dieses Labor, das für Stephan Ludwig zu einem „extrem wichtigen Ausstattungsmerkmal“ zählt. Und das will etwas heißen, denn auch sonst nutzen die Wissenschaftler mit ihren konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopen, ihren totalen internen Reflektions-, den Echtzeit-Videomikroskopen, Mikroinjektionsstudien, FACS-Analysen und dem Phospho-Imaging bereits reichlich modernste Technik. Aber das S-III-Labor dürfen nur intensiv geschulte und mit einem speziellen Chip ausgestattete Mitarbeiter betreten, die jedes Jahr aufs Neue für den Ernstfall instruiert werden und die genau wissen, wie penibel sie die Vorschriften bei ihren Experimenten etwa zur Vermehrungsfähigkeit von Viren beachten müssen.

Wer das etwa 25 Quadratmeter große Labor betreten möchte, geht zunächst durch einen Vorraum in den sogenannten Schleusenraum. Hier heißt es: runter mit den Alltags-Klamotten und rein in die sterile Laborbekleidung, die an OP-Kleidung erinnert – inklusive Baretthaube für die Haare, Mundschutz und Latex-Handschuhe. Spätestens jetzt weiß man, was Stephan Ludwig meint, als er zuvor mit einem Augenzwinkern sagt: „Es reißt sich keiner darum, hier zu arbeiten.“

Im Inneren sieht das Labor, in dem permanent Unterdruck herrscht, wie jedes andere aus. Vor dem Fenster stehen etwa 20 Isolationskäfige, in denen zeitweise Mäuse für Versuche untergebracht sind. Daneben die für alle Labore typischen Sterilbänke, die allerdings mit einer Besonderheit, dem „flow“, aufwarten: Aus Schutzgründen gibt es einen permanenten Luftzug, der von den Mitarbeitern, die dort mit Pipetten oder ähnlichen Geräten arbeiten, wegführt. „Wir arbeiten hier mit hochinfektiösen Wildtierstämmen“, unterstreicht Stephan Ludwig. „Und weil man die Gefahr eines Kontakts oder einer Tröpfcheninfektion nie zu 100 Prozent ausschließen kann, gelten scharfe Regeln. Deswegen behaupte ich, dass die Infektionsgefahr nahezu bei 0 liegt.“

Zu diesen scharfen Regeln zählt unter anderem die Vorgabe, dass niemand dort alleine arbeiten darf. Und dass nichts, wirklich gar nichts den Raum „einfach so verlassen“ darf. Was beispielsweise konkret bedeutet, dass die Mitarbeiter ihre Messergebnisse per Fax aus dem S-III-Labor nach außen schicken, um kein Papier mit nach draußen nehmen zu müssen. Sollte dennoch irgendein Gegenstand der Raum verlassen müssen, muss er vorab einen sterilisierenden Autoklav „durchwandern“, in dem allen Keimen mit Druck und bis zu 130 Grad heißem Wasserdampf der Garaus gemacht wird. Selbst an den theoretisch möglichen Fall, dass eine mit einem Virus infizierte Maus ausbüxt und in einem unbeobachteten Moment mit einem Mitarbeiter das Labor in Richtung Flur verlässt, hat man gedacht. An mehreren Stellen sind Mausefallen aufgestellt. „Auch das“, unterstreicht Stephan Ludwig, „ist behördlich festgelegt.“

Norbert Robers

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben, Nr. 1, 30. Januar 2019.

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