(C19) Zwischen Religion und Politik: Konfessionalisierung der Sprache in der Frühen Neuzeit?
Ziel dieses Projektes war es, herauszufinden, ob und wie sich Prozesse der Konfessionalisierung auf den schriftlichen Sprachgebrauch in der Frühen Neuzeit ausgewirkt haben. Prinzipiell sind zwei entgegengesetzte Positionen denkbar: Zum Einen die Vorstellung von Sprache als unmarkiertem Ausdrucksmittel, das für alle gesellschaftlichen Zwecke sozusagen 'neutral' zur Verfügung steht, und zum Anderen die Annahme, dass mit dem Gebrauch bestimmter Sprachformen und Sprachvarietäten bestimmte konfessionskulturelle 'Aufladungen' verbunden sind.
Gerade für die Frühe Neuzeit war unter dem Aspekt von Reformation und Gegenreformation zu erwarten, dass das Medium Sprache als Indikator und Faktor auf prominente Weise in das Machtspiel von Religion und Politik einbezogen wurde. Es galt zu erforschen, wie es um Art und Grad dieser Einflüsse auf inhaltlicher und sprachlich-formaler Ebene bestellt ist. Zu diesem Zweck sollten im Projekt gezielte Sondierungen zu einzelnen Gegenstandsbereichen durchgeführt werden. Konkret wurden unter zeitlichen, regionalen und textsortenspezifischen Gesichtspunkten folgende Untersuchungsfelder abgesteckt, die die übergeordnete Frage zu prüfen erlaubten.
Teilprojekte
Wandel der offiziellen Schriftlichkeit in einer Stadtsprache? Der Fall Donauwörth
Beschreibung: Hat sich die Rekatholisierung der Stadt Donauwörth in Bayerisch-Schwaben im Sinne einer konfessionellen Neujustierung der Sprache ausgewirkt? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Projekts. Donauwörth kann als Paradebeispiel für die „Umdrehung“ eines lutherisch definierten Gemeinwesens gelten. Die gewaltsame Festlegung auf den Katholizismus im Jahr 1609 hat sich ˗ so die Vermutung ˗ auch in der Verwendung sprachlicher Merkmale im offiziellen städtischen Schrifttum (Ratsprotokolle, Schulordnungen ect.) niedergeschlagen.
Beschreibung: Im Unterschied zur ,Nacheinander-Problematik‘ des Projekts 1 sollte hier stärker eine ,Nebeneinander- bzw. Gegeneinanderproblematik‘ beleuchtet werden. Mögliche Kontraste in konfessionskultureller und sprachlicher Hinsicht wurden anhand zweier Herrschaftsgebiete untersucht, die zwar einer gemeinsamen dynastischen Wurzel entstammen, die aber verschiedene Wege gegangen sind. Die Territorien Baden-Baden und Baden-Durlach zeigen ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert hinein deutlich konträre Züge im Blick auf Katholizismus und Protestantismus. Es wurde untersucht, ob sich dies auch in offizieller Schriftlichkeit widerspiegelt.
Revokationsschriften sind Texte, in den Konfessionswechsler Rechenschaft über den eigenen Bekenntniswechsel ablegen. Die Schriften gehören einem religiös-literarischen Genus an und ihre Verfasser sind in der Regel theologisch gebildete Konvertiten. Die Revokationsschriften sind gedruckt für den gesamten deutschen Raum des konfessionellen Zeitalters verfügbar. Das Korpus umfasst derzeit ca. 60 Quellen, die konfessionell und nach Druckorten differenziert werden. Es wurden auch handschriftliche Autographen zum Textvergleich herangezogen.
Im Bereich der wortorientierten Analyse wurde untersucht, ob die Konvertiten je nach Konfession unterschiedliche Metaphern, Stigmawörter, Fahnenwörter, Phraseologismen und Kollektivsymbole wählen. Darüber hinaus wurden Muster, die beim Schreiben der Revokationsschriften als Schablone dienen, und zu konfessionellen Unterschieden in der Textgestaltung führen können, in den Blick genommen. Außerdem stand die Frage im Vordergrund, welche rhetorischen Mittel in den Texten verwendet werden und ob sich anhand eines konfessionsspezifischen Vergleichs Unterschiede innerhalb der Stilebenen auftun.
Im Zentrum der Analyse des Unterprojektes stand also die Frage, ob die Konvertiten in den Revokationsschriften mithilfe sprachlicher Mittel ein genuin katholisches oder evangelisches Bild von sich zeichnen.
Beschreibung: An sprachhistorisch bisher nicht zur Kenntnis genommenem Material deutscher Inschriften wurde das konfessionell durchmischte Gebiet von Bayrisch-Schwaben auf die Verwendung typischer Sprachformen und -inhalte untersucht. Dabei wurde die breite Ebene von der Schreibung bis zum Formular in den Blick genommen, immer unter der Fragestellung: Sind konfessionell motivierbare Präferenzen festzustellen?
Aus der Fülle der verschiedenartigen Inschriftentypen wurden die Grabinschriften herausgegriffen, da gerade sie aufgrund ihrer Nähe zum religiösen Bereich Informationen über die sprachliche Umsetzung konfessioneller Vorgaben versprechen.
Am 19. Mai 2009 stellte Prof. Dr. Jürgen Macha das Thema "Sprache und Konfession in der frühen Neuzeit" in der Ringvorlesung "Stationen der deutschen Sprachgeschichte" vor.
Auf einer Textsorten-Konferenz an der Universität Wien (16. bis 19. September 2009) stellten Prof. Dr. Jürgen Macha und seine Mitarbeiterin Sarah Horstkamp ihre Forschungsarbeit vor.
In Münster bestand bei der Eröffnung des Vom-Stein-Hauses am 23. Oktober 2009 die Gelegenheit, sich über das Clusterprojekt zur Konfessionalisierung der Sprache zu informieren.
Wissenschaftsposter
Zu verschiedenen Projektvorstellungen hat die Forschergruppe Wissenschaftsposter anfertigen lassen (Stand: Oktober 2009):