Alte Götter – neue Helden?
Neue Studie über pagane Götter in der lateinischen Dichtung der Renaissance
Die Funktion der paganen Götter im lateinischen Epos des 15. Jahrhunderts steht im Mittelpunkt der neuen Studie „Mythologie und Politik“ des Philologen Dr. Christian Peters vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“. „Die Produktion hochwertiger lateinischer Dichtung durch humanistische Gelehrte, die man am eigenen Hof beschäftigte, war für die Mächtigen im Quattrocento, in der Frührenaissance in Italien, vom Herzog über den ‘Duodezfürsten‘ bis hin zum professionellen Söldnerführer, mit großem Prestige verbunden“, erläutert der Wissenschaftler, der sich mit neulateinischer Dichtung befasst. Immerhin sei es um nichts Geringeres gegangen als um die Hoffnung, den berühmtesten Schulterschluss von politischer Macht und lateinischer Dichtung, Kaiser Augustus und Vergils Aeneis nachzuahmen. „Doch was sollten die Dichter mit dem Personal der paganen Mythologie, insbesondere natürlich den olympischen Göttern, machen, vor denen die antiken Modelle regelrecht wimmelten, schrieben sie doch für christliche Herrscher?“.
Die Dissertationsstudie geht der Frage nach, wie in einer ausdrücklich christlichen Welt die paganen Götter als handelnde Figuren nicht bloß wieder vermittelbar wurden, sondern wie man sie auch mit großer Kunstfertigkeit und Einfallsgabe zur Kommentierung oder Deutung zeithistorischer Ereignisse nutzen konnte. Das Buch trägt den Untertitel „Die panegyrische Funktionalisierung der paganen Götter im lateinischen Epos des 15. Jahrhunderts“ und ist jüngst in den Wissenschaftlichen Schriften der WWU Münster erschienen und online zugänglich.
Pagane Götter in einer christlichen Welt
„Es geht hier nicht etwa nur um Imitation der antiken Epen, sondern um eine spezifisch humanistische Form der Aneignung des paganen Erbes, die uns viel darüber verrät, wie über Antikenbeanspruchung politisches Prestige und ideologische Legitimation gestiftet werden konnten“, erläutert der Autor weiter. Die Arbeit könne daher sowohl für Neulateiner und Renaissanceforscher, als auch für Altphilologen interessant sein.
Das Buch bündelt eine Reihe von Fallstudien zu Epen, die an verschiedenen Höfen des 15. Jahrhunderts für so unterschiedliche Widmungsadressaten wie Herzog Borso d’Este von Ferrara, Federico da Montefeltro von Urbino oder Sultan Mehmed II. entstanden sind. „Der Blick richtet sich darauf“, so Dr. Peters, „in welcher Form und zu welchem Zweck mythologisches Personal mit zeithistorischen Figuren in Interaktion tritt. Erörtert wird auch, wie dadurch effizient Zeitgeschichte literarisch neu arrangiert und kommentiert wird und wie etwaige kompromittierende Begebenheiten bemäntelt werden.“
Dr. Christian Peters forscht am Exzellenzcluster im Projekt B2-5 „Die neulateinische Emblematik“ unter Leitung des Philologen Prof. Dr. Karl Enenkel. (exc/vvm)