(B2-5) Die neulateinische Emblematik. Die multimediale Gattung der neulateinischen (und mehrsprachigen) Emblematik als Vermittlerin politischen und religiösen Denkens, ca. 1530- ca. 1670
Die Emblematik stellt sowohl eine Neuerfindung als eine der erfolgreichsten Gattungen der frühen Neuzeit überhaupt dar, die sich durch die Vielzahl der Medien, in denen sie Gestaltung fand (Buchdruck; Holzschnitt; Kupferstich; Handschrift; Medaille; Münze; Wandteppich; Wandmalerei; Glasmalerei; Skulptur; Möbel; Architektur; Feste; Umzüge etc.) wie keine andere eignet, die Vermittlungsleistung von medialen Figurationen der Vormoderne zu diskutieren. Wie rezente bibliographische Arbeiten und Übersichtsstudien gezeigt haben (Daly 2009; Dimler 2009; Daly-Dimler 1997ff; Peil 2009), spielen die Thematiken der Religion und der Politik in der Emblematik eine wichtige Rolle, sowohl in ihrer Verflechtung (Interdependenz) als auch als sich ausdifferenzierende Bereiche (Emblemata politica; devotionale Emblematik/ Erbauungsbuch). Dabei ragen die neulateinischen Emblembücher sowohl quantitativ als in Bezug auf ihren innovativen Charakter hervor. Es liegen hier hochinteressante, bisher meist nur punktuell und in Ansätzen erfasste Materialgruppen vor, die einer einschlägigen systematischen Erschliessung harren. Die Vermittlungsleistung der Emblematik in Bezug auf das politische und religiöse Denken darf insofern besonderes Interesse beanspruchen, als der Aufmarsch der Gattung gerade in einer Zeit massiver religiöser und politischer Umschichtungen und Neuorientierung (Reformation, Contrareformation, Konfessionalisierung; politische Umschichtung bis zum westfälischen Frieden) stattfand, im Rahmen einer sich stets weiter differenzierenden Respublica litteraria und eines ambitionierten Verlegertums, das im sich rapide entwickelnden Buchmarkt agiert.
Die Vermittlungsleistung der Emblematik ist eines der Gebiete, welche noch eingehender Klärung bedürfen. Sie ist insgesamt hoch zu veranschlagen, schon deshalb, weil sie in zahlreichen Nischen der Literatur, bildenden und angewandten Kunst angesiedelt ist, zahlreiche Kunst-, Literatur- und Kulturfigurationen inkludiert, verschiedene Publikumssegmente zu erreichen vermag (z.B. lateinische Emblembücher: geistliche und politische Elite; Embleme auf Münzen: auch untere Schichten) und sowohl im öffentlichen (z.B. Rathäuser; Architektur; Umzüge und Aufmärsche) als auch im privaten Raum (kath. Devotionsemblematik; prot. Erbauungsbücher; Stammbücher) ihre Wirksamkeit entfaltet. Besonders aufschlussreiche komparatistische Analysemöglichkeiten sind u.a. dadurch gegeben, dass ein- und dasselbe Emblem sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, in verschiedenen Kunst- und Literaturformen, in unterschiedlichen kulturellen Kontexten angewendet wurde. Ein weiteres Komparationspotential ergibt sich im Fall mehrsprachiger Emblembücher, weil sie Einblicke in die diversen sprachlichen Diskursformationen bieten, welche die Vermittlung politischen und religiösen Denkens steuern. Dabei weist in der Regel schon jedes Emblem als solches eine doppelte mediale Konstituierung (Text - Bild) auf, schliesst also sowohl sprachliche als nicht-sprachliche Verfahren der Kozeptualisierung politischer und religiöser Werte mit ein, Verfahren, deren jeweilige diskursive Beschaffenheit und Wirkungsweise in dem Projekt abgeklärt werden sollen. Einschlägige Vorstudien haben gezeigt, dass die Text- und Bilddiskurse oft auf verschiedenen Schienen liefen und dass häufig die von Henkel und Schöne definitorisch vorausgesetzte idealtypologischen Einheit von Text und Bild zweifelhaft ist. Deshalb werden wichtige Fragen sein, welche Vermittlungsleistung die jeweiligen Bilddiskurse, und welche die jeweiligen Textdiskurse vollbringen und wie man sich ihr Zusammenspiel auf funktioneller Ebene vorstellen muss.
Aufgrund der massiven religiösen und politischen Umschichtungen darf man erwarten, dass der Vermittlungsbedarf gross war sowie dass hohe Anforderungen an ihn gestellt wurden. Das Forschungsprojekt schliesst sich bei jüngeren Deutungen der Emblematik an, die auf die funktionelle Einbettung in kulturellen Kontexten fokussieren. U.a. ist rezent auf die didaktische und memorative Funktion der Emblematik hingewiesen worden, die z.B. im jesuitischen Schulunterricht eine wichtige Rolle spielte (Dimler; Porteman), auf Verwendung der Emblematik in der höfischen Repräsentation (Herrscherpanegyrik; Klecker); hinzu kommt ihre Anwendung in der sozialen, religiösen und politischen Selbstdarstellung im weiteren Sinn sowie als Medium der Kommunikation (Netzwerkbildung; Widmungen einzelner Embleme; Stammbücher). Die Emblematik bietet daher ausgezeichnete Möglichkeiten, politische und religiöse Werte zu vermitteln, und zwar sowohl in einfachen als auch in komplexen Figurationen und Bildern. Welche Bilder werden für welche Inhalte verwendet, welche Bilddiskurse liegen ihnen zugrunde? Welche Texte werden benutzt, inwiefern und auf welche Weise werden sie - zum Zweck der Verinnerlichung von religiösen und politischen Werten - zu den Bildern in Beziehung gesetzt? Was tragen die jeweiligen Text- und Bilddiskurse zur Verinnerlichung bei? Welche Rolle spielt dabei der oft zitierte ,enigmatische' Charakter der Emblematik? Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen Enigma, Didaktik und Ars memorativa feststellen bzw. zwischen Enigma und dem Einüben politisch-religiöser Werte?
Eine wichtige Frage betrifft die Interdependenz bzw. Dissoziation religiöser und politischer Werte in der Emblematik. Es lassen sich dabei Ansätze in beide Richtungen beobachten, wobei sowohl der jeweilige politische und religiöse Kontext sowie die jeweilige Publikumsorientierung entscheidend ist. Während die Bereiche von Politik und Religion im 16. u. 17. Jh. stark verwoben sind, wurde es in einer Reihe von Fällen als sinnvoll erfahren, zur Lösung bestimmter Probleme Religion und Politik zu dissoziieren. Es wird jeweils im Einzelnen zu klären sein, unter welchen Bedingungen und Kontexten Integrations- und unter welchen Bedingungen Dissoziationsversuche unternommen wurden. Ein interessantes Phänomen ist diesbezüglich, dass in der Poetik der Emblematik grundsätzlich eine gewisse semantische Flexibilität vorprogrammiert war. In dem Projekt soll die Wirkungs- und Verwendungsweise dieser semantischen Flexibilität/ Ambiguität untersucht werden.
Ziele des Projekts:
- eine Monographie zur Problematik
- eine Monographie zum Sonderfall der Vermittlung religiöser und politischer Vorstellungen in der jesuitischen Emblematik (wiss. Mitarbeiter)
Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.