Chinas „Reichsreligion“

Sinologe Gentz zum Transfer religiöser Repertoires in der ostasiatischen Geschichte

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Prof. Dr. Joachim Gentz

Über den Transfer zwischen Religionen im regulierten Pluralismus Chinas hat der Sinologe Prof. Dr. Joachim Gentz aus Edinburgh in der öffentlichen Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und des Centrums für religionsbezogene Studien (CRS) gesprochen. In seinem Vortrag diskutierte er die analytische Relevanz des Konzepts „Religionstransfer“ für die chinesische Religionsgeschichte und stellte Fallbeispiele wie den Austausch von Jenseitsvorstellungen, Gottheiten, Schriften und Ritualen vor. Die Veranstaltung trug den Titel „Das Große Dao ist ohne Form, ohne Wesen und ohne Namen. Formen des Transfers zwischen Religionen im regulierten Pluralismus Chinas“.

Der Wissenschaftler beleuchtete zunächst systematisch und historisch die chinesischen Religionen – Konfuzianismus, Buddhismus und Daoismus – und fragte, ob Religionen in China überhaupt als getrennte Einheiten aufgefasst werden sollten, zwischen denen Transfer stattfinde. „Vielmehr scheint es, als existieren Religionen in China geradezu ausschließlich im Modus des Transfers. Schließlich weisen sie selbst darauf hin, dass sie je nur auf religiöse Wahrheiten verweisen, die jenseits der Religion liegen.“ Eine alte Frage der Forschung sei daher, ob sie nicht vielmehr als Bestandteile einer einzigen gemeinsamen chinesischen Religion aufzufassen seien. In Anlehnung an die Arbeit des Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Jörg Rüpke, der sich mit römischer Religionsgeschichte beschäftigt, diskutierte Prof. Gentz das Konzept der „Reichsreligion“ anhand verschiedener historischer Phasen von Religionstransfer in der chinesischen Religionsgeschichte.

In einem zweiten Schritt stellte Prof. Gentz Fallbeispiele für Transfers zwischen Religionen aus der chinesischen Geschichte dar. „Dazu zählen Transfers von Jenseitsvorstellungen, Gottheiten, Schriften und Ritualen“, so der Religionswissenschaftler. Eine Interpretation der Beispiele lege nahe, dass „Transfers zwischen Religionen in China besser erklärt werden können, wenn von religiösen ,Repertoires‘ anstatt von Religionen als festen Größen gesprochen wird“.

Plakat der Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“

Plakat

Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“

Die Vortragsreihe „Transfer zwischen Religionen. Wenn religiöse Traditionen einander beeinflussen“ untersucht, wie es zwischen Religionen in verschiedenen Kulturräumen und Epochen zu vielfältigen Formen des Austauschs religiöser und kultureller Traditionen kam. Die Themen der öffentlichen Reihe reichen von multi-religiösen Identitäten in modernen pluralen Gesellschaften über den christlich-muslimischen Dialog im Nahen Osten bis zum Kulturaustausch zwischen Juden, Christen und Muslimen durch Buch und Bild im Mittelalter und dem Reliquientransfer zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum. Erörtert werden auch das gemeinsame Erbe von Philosophie und Wissenschaft in Judentum, Christentum und Islam, die christliche Kabbala, Wechselwirkungen zwischen dem Buddhismus und anderen indischen Religionen sowie die Rezeption hinduistischer Konzepte im Westen und umgekehrt. Vertreten sind die Fächer Religionswissenschaft, Byzantinistik, Indologie, Islamwissenschaft, Judaistik, Sinologie, Theologie und Philosophie. Am Exzellenzcluster werden Transfer-Phänomene seit 2012 im Forschungsfeld „Integration“ untersucht.

Am Dienstag, 28. April, spricht Arabistin Prof. Dr. Angelika Neuwirth aus Berlin über „Traditionsbildung durch Textstrategie: der Weg der koranischen Gemeinde von Jerusalem nach Mekka“. Der Vortrag beginnt um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22. (ska/vvm)


Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen. Wenn religiöse Traditionen einander beeinflussen“

Sommersemester 2015
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster