„Ein Kopftuch voll Angst“
Religionswissenschaftlerin Astrid Reuter zum jüngsten Kopftuch-Urteil aus Karlsruhe
Mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchtragen muslimischer Lehrerinnen befasst sich Religionssoziologin PD Dr. Astrid Reuter vom Exzellenzcluster in einem Beitrag auf der Website der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Unter dem Titel „Ein Kopftuch voll Angst“ schreibt die Wissenschaftlerin, „warum es gut ist, dass wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder über die Bedeutung des Kopftuchtragens diskutieren (müssen).“ Die Forscherin, die 2014 eine Studie über Rechtskonflikte um Religion vorgelegt hat, beschreibt in dem Blog-Eintrag die Entwicklung seit dem ersten Karlsruher Kopftuch-Entscheid im Jahr 2003 und den daraus folgenden „Kopftuchgesetzen“ in verschiedenen Bundesländern. Die Entscheidung vom 27. Januar 2015 nehme „etwas Druck aus dem Prozess der Überreglementierung“.
Das neue Urteil aus Karlsruhe entbinde die Verantwortlichen in den Ländern zwar nicht von der Notwendigkeit, die Verfassungstreue von Lehrkräften zu prüfen, die sich auch an ihrem äußeren Erscheinungsbild kundtun könne, schreibt Astrid Reuter. „Aber es stärkt das Grundrecht auf Religionsfreiheit, indem es klarstellt, dass dieses eben nicht aufgrund einer bloß abstrakten Gefahrenlage generell eingeschränkt werden darf. Dadurch spielt es den Ball in das Feld zurück, aus dem er kommt: in Politik, Religion und Gesellschaft. Der Konflikt ist damit nicht beigelegt. Aber er ist wieder da, wo er hingehört.“
Die Studie über Rechtskonflikte um Religion in Deutschland und über öffentliche Kontroversen darüber trägt den Titel „Religion in der verrechtlichten Gesellschaft“. Sie ist mit dem Untertitel „Rechtskonflikte und öffentliche Kontroversen um Religion als Grenzarbeiten am religiösen Feld“ im Göttinger Verlag „Vandenhoek & Ruprecht“ erschienen. Die Autorin untersucht darin ausgewählte jüngere Rechtskonflikte um Religion und deutet sie als „definitionspolitische Auseinandersetzungen um die Grenzen des religiösen Feldes“. Beispiele sind neben der Auseinandersetzung um die Kopfbedeckung muslimischer Lehrerinnen auch Kruzifixe in bayerischen Schulen und die Einführung von Ethik-Unterricht in Berlin und Brandenburg.
PD Dr. Astrid Reuter ist Mitglied im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Centrums für Religion und Moderne (CRM). Bei der Studie handelt es sich um ihre Habilitationsschrift, die sie im Rahmen des Cluster-Projekts C23 Religion in der verrechtlichten Gesellschaft. Rechtskonflikte und öffentliche Kontroversen um Religion in Deutschland im internationalen Vergleich abschloss. (vvm)