Fromme Betrüger
Tagung über konfessionelle Ambiguität in der Frühen Neuzeit
Widerstände, Bruchstellen und Grenzen der Konfessionalisierung stehen im Fokus der Tagung „Konfessionelle Ambiguität“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“: Das Bild einer homogenen Konfession erscheint heute zunehmend als Konstrukt, Zustände inter- wie transkonfessioneller „Osmose“ rücken ins Zentrum der wissenschaftlichen Betrachtung. Konfessionalität wird in der jüngsten Forschung als häufig schwankende und instabile kulturelle Praxis verstanden.
Die Tagung findet vom 20. bis 22. September im Hauptgebäude des Exzellenzclusters, Johannisstraße 1-4 in Münster, statt. Veranstalter sind Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rillinger und Dr. des. Andreas Pietsch vom Projekt C6 „Politisches Amt und religiöse Dissimulation. Konfessionelle Zweideutigkeit an europäischen Fürstenhöfen des 16. und 17. Jahrhunderts“.
Den Schwerpunkt der Tagung bildet ein Teilbereich jener kulturellen Praxis: Uneindeutigkeit und Verstellung. Schon in der Wahrnehmung zeitgenössischer Autoren sind Formen der dissimulatio von großer Bedeutung. So verwendet etwa die frühneuzeitliche Ratgeberliteratur viele Seiten darauf, dem Höfling zu erläutern, ob, wann und wieweit es erlaubt, ja sogar geboten erscheint, seiner Umwelt etwas vorzumachen. Auch die theologischen Traktate dieser Zeit nehmen sich der Frage an und stellen verzweigte Begründungen auf, die ein Verschleiern des eigenen Glaubens im Angesicht des religiösen Gegners erlauben. Mit anderen Worten: Das Thema Uneindeutigkeit und Verstellung erlebt vom 16. bis ins 18. Jahrhundert eine auffällige Konjunktur.
Dennoch haftete konfessioneller Mehrdeutigkeit grundsätzlich etwas Suspektes an. Das Auseinanderdriften von äußerem Handeln und innerer Überzeugung warf die elementare Frage auf nach dem Verhältnis zwischen Kultus und Dogma, sichtbarer und unsichtbarer Kirche, Körper und Seele. Die Antworten darauf hätten kaum unterschiedlicher ausfallen können: Erasmus von Rotterdam etwa erachtete alle körperliche Ritualität als vernachlässigenswert, während Johannes Calvin an einer strikten Übereinstimmung von körperlicher und geistiger Glaubenshaltung festhielt.
12 Vorträge beleuchten sowohl die soziale Praxis als auch die gelehrten Diskurse. Dabei untersuchen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen ausgewählte Beispiele in ihren konkreten konfessions- und territorialpolitischen Kontexten sowie in ihren frömmigkeitsgeschichtlichen Konsequenzen. (Jurek Skrobala)
Programm
Montag, 20. September Moderation: Karin Westerwelle, Münster |
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14:30-15:00 | Einführung in die Tagung |
Barbara Stollberg-Rilinger, Münster |
15:00–16:00 |
Was heißt konfessionelle Eindeutigkeit? Konzeptionelle Überlegungen zum frühneuzeitlichen Begriff der doctrina |
Philippe Büttgen, Paris |
16:00–17:00 | Nicodemism and Deconfessionalization in early modern Europe |
Jean-Pierre Cavaillé, Paris |
17:30–18:30 | Konfessionelle Indifferenz in der Frühen Neuzeit |
Kaspar von Greyerz, Basel |
Dienstag, 21. September Moderation: Sebastian Neumeister, Berlin, und Thomas Lentes, Münster |
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9:00–10:00 |
Die Causa Lipsius oder Messbesuch für Anfänger und Fortgeschrittene |
Andreas Pietsch, Münster |
10:00–11:00 |
Das Apostelcredo des Hendrick Goltzius und der Streit um Öffentlichkeit und Privatheit der Konfession im niederländischen Universalkatholizismus |
Ulrich Heinen, Wuppertal |
11:30–12:30 | Diskursivierung gefährlichen Wissens. Antitrinitarismus in der Gelehrtenkultur um 1600 |
Friedrich Vollhardt, München |
14:00–15:00 | „Un gentilhomme de bonne façon: il se contrefaisoit autre“. Gewissen und Dissimulatio in Montaignes Essais |
Karin Westerwelle, Münster |
15:00–16:00 |
Die allzu politische Konversion des Duc de Lesdiguières. Zur diskursiven Produktion von Aufrichtigkeit |
Jan-Friedrich Mißfelder, Zürich |
16:30–17:30 |
Auf der Suche nach Eindeutigkeit. Die habsburgische Zentralverwaltung und die Vielfalt der geheimprotestantischen Zeichen |
Martin Scheutz, Wien |
17:30–18:30 |
‚Kryptoreligiosität‘ im Nahen Osten. Ein tragfähiger Begriff? |
Maurus Reinkowski, Freiburg im Breisgau |
Mittwoch, 22. September, Moderation: Thomas Winkelhaus, Wien |
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9:30–10:30 |
Sprachpraxis und konfessionelle Differenz: Befunde und Mutmaßungen |
Jürgen Macha, Münster |
10:30–11:30 |
Wahrheit als Lüge. Friedrich III. von der Pfalz auf dem Augsburger Reichstag 1566 |
Matthias Pohlig, Münster |
12:00–13:00 |
Abschlussdiskussion |
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