... zwischen 'Anything-Goes' und Alternativlosigkeit
Die Postmoderne scheint schon bessere Zeiten erlebt zu haben. ‚Anything-goes‘ und ‚Alternativlosigkeit‘ bilden eine konträre Einheit in einer Krisendeutung der Gegenwart. Aktuelle Debatten sind von der Lust an der kompromisslosen Verabschiedung und der Verweigerung einer differenzierten Revision postmoderner Prinzipien geprägt. In ästhetischen Manifesten wie theoretischen Diskursen wird der polemisch akzentuierte Ruf nach einem neuen, einem „besseren Realismus“ (Milo Rau) und die „Sehnsucht nach Evidenz“ (Karin Harasser/ Helmut Lethen) laut. ‚Realismus’ dient so gleichermaßen als Chiffre für eine wütende Absage an die leeren Form- und Zeichenspiele der Postmoderne als auch als in einer Geste neuer Ernsthaftigkeit vorgetragene Einforderung der Wirklichkeitshaltigkeit von Kunst.
Vor diesem Hintergrund möchte der Vortrag mit Friedrich von Borries, Milo Rau und dem Zentrum für politische Schönheit drei wesentliche Akteure einer Programmatik ästhetischer Intervention diskutieren, die sich in der gemeinsamen Gegnerschaft gegen den globalen Kapitalismus treffen, um diesen zu unterbrechen aber ganz unterschiedliche Störkonzepte verfolgen.
Für den Vortrag leitend sind Fragen nach den jeweiligen Mischungs- und Konkurrenzverhältnissen von ästhetische Selbst- und Fremdreferenz und den unterschiedlichen Verfahren, die aufgeboten werden, um die Realitätskonventionen und die vermeintlich normalistisch stillgestellte kulturelle Apperzeption zu unterbrechen bzw. neu zu justieren. Als Ausgangspunkt dient die Hypothese, dass insbesondere in vermeintlichen Krisenzeiten ein erhöhter Politisierungs- und Selbstpolitisierungsanspruch an die Kunst gestellt und vice versa Politik zu einer Legitimations- und Bewertungsressource von Kunst wird.