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Philologen und Archäologen unter einem Dach

Vor mehr als 100 Jahren wurde der Vorläufer des Instituts für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde an der WWU gegründet / Tagung und Ausstellung ab dem 30. November
Institutsmitarbeiter im Foyer des Instituts
Organisieren die Tagung und die Ausstellung (v. re. n. li.:): Prof. Dr. Reinhard Dittmann, Prof. Dr. Ellen Rehm, Prof. Dr. Hans Neumann und Dipl.-Theol. Ludger Hiepel (Seminar für Exegese des Alten Testaments, FB02). Im Foyer des Instituts ist links eine Fotografie der rekonstruierten Thronsaalfassade aus Babylon (6. Jh. v. Chr.) zu sehen, rechts der Gipsabguss einer Stele des sogenannten Codex Hammurapi (18. Jh. v. Chr.).
© Uni MS - Peter Grewer

Es zählt zu den kleinsten und zu den ältesten Einrichtungen der WWU: das Institut für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde. Vor über 100 Jahren als Orientalisches Seminar gegründet, umfasst es heute gerade mal zwei Professuren. Hinzu kommen drei weitere Mitarbeiter und drei Hilfskräfte. "Die Altorientalistik ist ein vergleichsweise junges Fach, hat in Münster aber eine lange Tradition", erklärt Institutsdirektor Hans Neumann, Professor für Altorientalische Philologie. Ende November werden Wissenschaftler aus dem In- und Ausland bei einer Tagung die Rolle der alt-orientalistischen Forschungen in Münster im Kontext der internationalen Fachgeschichte analysieren. Aus diesem Anlass stellen wir das Institut und seine Geschichte vor.

Gründung
Als erster Professor für Semitische Philologie und Altorientalische Geschichte in Münster vertrat Prof. Hubert Grimme seit 1911 den Alten Orient in Lehre und Forschung. Die Gründung des Orientalischen Seminars erfolgte zum 1. April 1913. Damit ist das Institut – von der Neugründung der Universität im Jahr 1902 aus gerechnet – älter als die Evangelisch-Theologische Fakultät und die Medizinische Fakultät, die in den Jahren 1914 und 1925 neu gegründet wurden. Bereits 1919 erhielt das Orientalische Seminar mit den Abteilungen "Alter und Islamischer Orient", "Christlicher Orient" und "Indo-iranischer Orient" erstmals eine differenzierte Struktur.

Persönlichkeiten
Um das Feld der altorientalischen Sprachen sowie die Geschichte und Kultur des Alten Orients in Forschung und Lehre abdecken zu können, wurde 1936 eine neue Professur errichtet. Sie wurde an den katholischen Theologen und Altorientalisten Dr. phil und Dr. theol. Friedrich Schmidtke übertragen. Das Kuriose: Der Vatikan hatte dessen theologische Doktorarbeit zwei Jahre zuvor wegen der darin enthaltenen exegetischen Ansichten auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Ein theologischer Lehrstuhl kam für ihn also nicht mehr infrage. Aufgrund seiner altorientalischen Qualifikation – Schmidtke wurde mit einer Arbeit über den assyrischen König Asarhaddon zum Dr. phil. promoviert – war er jedoch ein geeigneter Kandidat für die neue Professur in Münster.
Zweifellos einer der bedeutendsten Vertreter der Altorientalistik war Prof. Wolfram von Soden, der 1961 nach Münster berufen wurde. Mit seinem "Grundriss der akkadischen Grammatik" und mit dem dreibändigen "Akkadischen Handwörterbuch" schrieb er Fachgeschichte. Weltweit sind diese Werke heute in jeder wissenschaftlichen Bibliothek zu finden, die mit Forschungen zu orientalischen und semitischen Sprachen verbunden ist.

Entwicklung
In den Jahren 1962 und 1963 wurden die mittlerweile fünf Abteilungen des Altorientalischen Seminars eigenständige Einrichtungen: Das Ägyptologische Seminar, das Seminar für Arabistik und Islamwissenschaft, das Altorientalische Seminar, das Seminar für Indologie und das Seminar für Ostasienkunde. Unter dem Dach des Altorientalischen Seminars etablierte sich 1971 schließlich neben der Philologie die Vorderasiatische Altertumskunde (Archäologie) als zweites selbstständiges Fach. Seit 1993 hat Reinhard Dittmann diese Professur inne. Heute ist das Institut für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde eines von zwölf in ganz Deutschland – und das einzige dieser Art in Nordrhein-Westfalen. 

Forschung und Lehre
Dass sich Philologie und Archäologie in Münster unter einem Dach befinden, ist aus Sicht von Hans Neumann ein großer Vorteil: "Trotz unterschiedlicher Methoden beschäftigen wir uns mit zwei Seiten derselben Medaille." Beide Fächer befassen sich mit der Geschichte, der Kultur und den Sprachen des alten Vorderen Orients und widmen sich damit den Wurzeln heutiger Gesellschaften. "Die Forschung ist sehr vielschichtig und komplex", betont der Institutsdirektor.
Seit 1999 erstellt und editiert Hans Neumann jährlich die internationale Keilschriftbibliographie, seit 2010 ist er Herausgeber der Orientalistischen Literaturzeitung. Darüber hinaus werden weitere Reihen und Zeitschriften von Angehörigen des Instituts mitverantwortet. Am Exzellenzcluster "Religion und Politik" ist das Institut mit einem Projekt zu kultisch-religiösen Institutionen in Mesopotamien beteiligt. Regelmäßig finden Workshops und internationale Tagungen in Münster statt. 
Studierende können sich sowohl für einen Bachelor- als auch einen Master-Studiengang einschreiben, die jeweils im Verbund mit der Ägyptologie und Koptologie angeboten werden. Von Kultur und Kunst über Sprache und Religion bis hin zu Wirtschaft und Recht erhalten sie dabei einen umfassenden Einblick in die Gesellschaft des alten Vorderen Orients.

Institut für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde

Tagung und Ausstellung

Anlässlich des 125. Geburtstags von Friedrich Schmidtke und des über 100-jährigen Bestehens der Altorientalistik in Münster findet vom 30. November bis 2. Dezember im Festsaal des Schlosses eine internationale und interdisziplinäre Fachtagung statt. Sie trägt den Titel "Aus der Vergangenheit lernen. Altorientalistische Forschungen in Münster im Kontext der internationalen Fachgeschichte". Der Auftakt findet ab 18 Uhr im Hörsaal JO 1, Johannisstraße 4, statt. Darüber hinaus wird es im Institut, Rosenstraße 9, eine öffentliche Studio-Ausstellung geben, die bis Ende des Jahres zu sehen ist.

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