Spitzenfrauen im Fokus der Medien. Die mediale Repräsentation von weiblichen und männlichen Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
Zeitraum | April 2008 bis Dezember 2010 |
Leitung | Prof. Dr. Jutta Röser |
Wiss. Mitarbeit |
Dr. Kathrin Friederike Müller |
Institution | Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienkultur, Leuphana Universität Lüneburg |
Finanzierung | BMBF, ESF |
Publikation | Lünenborg, Margreth/Röser, Jutta 2012: Ungleich mächtig - Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation. Bielefeld: transcipt. |
Das Projekt beschäftigte sich mit der medialen Repräsentation mächtiger Männer und Frauen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und deren Aneignung durch junge Erwachsene. Dabei lag das Augenmerk sowohl auf der Ebene der Medieninhalte als auch ihrer Aneignung auf der (De-)Konstruktion der Verbindung von Macht und Geschlecht. Es standen mediale Repräsentationen von Spitzenfrauen als auch -männern sowie Mediennutzende beiderlei Geschlechts im Fokus, denn das Ziel war es, Gendering-Prozesse in Verbindung mit beruflichem Erfolg und Status multiperspektivisch nachvollziehen zu können. Die Befunde zeigen sowohl auf der Repräsentations- als auch auf der Aneignungsebene, dass die Konstruktion von Geschlecht in Bewegung ist. Momente der Fortschreibung tradierter Männlichkeit werden ebenso sichtbar wie Formen der Modernisierung von Weiblichkeiten im Mediendiskurs.
Das Projekt umfasst eine quantitative Inhaltsanalyse (Prof. Dr. Jutta Röser und Dr. Kathrin Friederike Müller), eine qualitative Textanalyse (Dr. Tanja Maier und Prof. Dr. Margreth Lünenborg), eine Bildanalyse (Dr. Elke Grittmann), Gruppendiskussionen mit jungen Erwachsenen mit höherer und niedriger Formalbildung (Dr. Kathrin Friederike Müller) und Befragungen von JournalistInnen (Prof. Dr. Margreth Lünenborg und Dr. Tanja Maier). Erstmals wurden Produktionsbedingungen, Mediendarstellungen und Publikumswahrnehmungen in einem Gesamtprojekt systematisch untersucht und aufeinander bezogen.
Die Befunde zur textlichen und ikonografischen Repräsentation machen deutlich, dass sich mediale Geschlechterkonstruktionen im Wandel befinden, aktuell Repräsentationen von mächtigen Frauen und Männern aber zwischen der Affirmation traditioneller und dem Entwurf neuer Konstruktionen von Geschlecht changieren. Die quantitative Untersuchung von 23 Einzelmedien zeigt, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Zwar ist Kanzlerin Merkel medial omnipräsent, auf vier erwähnte männliche Politiker kommt jedoch immer noch weniger als eine Politikerin. Noch ausgeprägter ist die Geschlechterungleichheit in Wirtschaft und Wissenschaft: Die mediale Berichterstattung über Führungskräfte aus beiden Feldern kann als nahezu frauenfrei gelten. Auch wenn Frauen deutlich seltener als ihre männlichen Kollegen in den Medien vorkommen, so werden sie nicht stereotyp vergeschlechtlicht. Die Ergebnisse der qualitativen Analysen von Bild und Text zeigen, dass überwiegend männliche Führungskräfte mit Attributen tradierter Männlichkeit versehen werden, während die Repräsentationen von Führungsfrauen vielfältiger und weniger klischeehaft sind. Die zweigeschlechtliche Ordnung wird jedoch nicht infrage gestellt: Über Attribuierungen werden die Dargestellten nicht nur als Führungskräfte, sondern auch als Frau oder Mann konstruiert.
Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen machen deutlich, dass sich die Ambivalenzen der medialen Repräsentationen von Führungskräften auch in der Aneignung der Medientexte durch junge Erwachsene widerspiegelt. Sowohl weibliche als auch männliche Befragte sind sich der Relevanz der Verbindung von Macht mit Männlichkeit in der Gesellschaft bewusst. Explizit werden in den Gruppendiskussionen Hindernisse thematisiert, die es Frauen erschweren, in Führungspositionen zu gelangen. Umso anerkennender sprechen die Befragten über Frauen, die sich erfolgreich durchgesetzt haben, wie zum Beispiel Kanzlerin Merkel. Irrtümlicherweise meinen die Befragten jedoch, dass Frauen in Führungspositionen medial besonders präsent sind, weil Medien ihrer inneren Logik zufolge stets das Außergewöhnliche – hier die weibliche Machthaberin – repräsentieren würden. Ein Grund für diesen Fehlschluss ist, dass Medienberichte über Frauen in Führungspositionen auffallen, weil die jungen Befragten die Repräsentierte als Abweichung von der Norm des männlichen Berufsvertreters wahrnehmen und deshalb besonders beachten. Junge Frauen haben zudem aus einem weiteren Grund ein Auge auf Medienberichte über Frauen in Führungspositionen: Sie fühlen sich durch sie hinsichtlich der Verwirklichung eigener Karrierepläne ermutigt. Spitzenfrauen gelten als Beweis, dass Frauen es in Führungspositionen schaffen können und dienen zur Orientierung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Karriere und Familie.
Geschlecht wird in den Gruppendiskussionen sowohl in traditionellen als auch in modernen Bezügen hergestellt. Zweigeschlechtlichkeit wird dabei stets affirmiert, jedoch nicht über die Befähigung zu Führungsrolle, sondern über geschlechtsgebundene Attribute. Diese Zuschreibungen charakterisieren Männer und Frauen als mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet: Die jungen Erwachsenen argumentieren, dass Geschlecht nicht bedinge ob man etwas könne, wohl aber wie man es mache. Geschlecht wird von den Befragten bei der Rezeption medialer Repräsentationen von Führungskräften also naturalisiert, und somit als Strukturkategorie bestätigt.
Das Projekt wurde Ende 2010 abgeschlossen.
In der Reihe Cultural Media Studies erschienen: http://www.transcript-verlag.de/ts1692/ts1692.php
Eine CD zu den Befunden mit Anregungen für die Medienpraxis kann bei Dr. Kathrin Müller bestellt werden.