Das mediatisierte Zuhause III: Kontrastierende Haushaltsstudien zu Antriebskräften dynamischer Mediatisierung
Zeitraum | November 2014 bis Juli 2017 |
Leitung | Prof. Dr. Jutta Röser |
Wiss. Mitarbeit |
Dr. Kathrin F. Müller |
Institution | Institut für Kommunikationswissenschaft Westfälische Wilhelms-Universität Münster Bispinghof 9 – 14 48143 Münster |
Finanzierung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Terra Digitalis - Eine Forschungsreise |
Vorträge | Vortragsliste |
Publikationen | Liste der Publikationen |
Im Zentrum des Projekts stand die häusliche Mediennutzung der Online-Avantgarde. Unter diesem Begriff werden Haushalte subsumiert, die überwiegend online-basierte Medien nutzen und entsprechend klassische Medien wie das lineare Programmfernsehen, lineare Radioprogramme oder die gedruckte Zeitung weitgehend abgeschafft haben. Theoretisch bezog sich das Projekt auf den Mediatisierungsansatz sowie auf den Domestizierungsansatz, der in den Vorgängerprojekten im Hinblick auf Teilhabe und auf die neuen digitalen Medienumgebungen weiterentwickelt wurde. Die Studie knüpft einerseits an Einsichten aus zwei Vorgängerprojekten an. Den Ausgangspunkt bildete eine qualitative Panelstudie, in der ein systematisch nach soziodemografischen Kriterien quotiertes Sample von Paar-Haushalten zu drei Zeitpunkten (2008, 2011, 2013) untersucht wurde, um den Wandel des mediatisierten Zuhauses im Längsschnitt über sechs Jahre zu erfassen. Der Längsschnittvergleich machte deutlich, dass das Internet im Zuge seiner Domestizierung immer tiefer in den häuslichen Alltag integriert wurde. In der Folge haben sich die Kommunikationskulturen der befragten Paare ebenso wie zahlreiche Alltagspraktiken zwischen 2008 und 2014 fortlaufend verändert und tiefer mediatisiert. Mediatisierung zeigt sich jedoch – trotz aller Differenzierungen im Einzelnen – insgesamt nicht als Umwälzung, sondern als Transformation. Sie drückt sich nicht in Form allumfassender Digitalisierung des Medienhandelns aus, sondern als Koexistenz ‚neuer‘ und ‚alter‘ Medien in den Medienrepertoires der Paare. Diese Befunde führen zu der theoretischen Einsicht, dass Mediatisierung sowohl Momente der Dynamik wie Momente der Beharrung im Medienhandeln enthält. Vor diesem Hintergrund zielte das Projekt „Das mediatisierte Zuhause III“ darauf ab, Faktoren für Dynamik wie auch für Beharrung im häuslichen Mediatisierungsprozess am Beispiel der Nutzung von Multi-Media-Angeboten und der daraus resultierenden Umstrukturierung häuslicher Medienrepertoires genauer herauszuarbeiten. Es wurde gefragt, unter welchen Voraussetzungen sich das häusliche Medienhandeln umfassend am Internet orientiert und die Medienrezeption in erster Linie online erfolgt. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zur theoretischen Debatte um online-basiertes Medienhandeln und damit letztlich zum Thema Konvergenz und zur nutzerorientierten Konzeption dieses Begriffs.
Methode
Um zu zeigen, wodurch digitale Teilhabe befördert und gehemmt wird, wurde einerseits eine zusammenführende Auswertung auf Basis des umfangreichen Gesamtmaterials der systematischen Panelstudie 2008 bis 2014 durchgeführt und das Sample im Jahr 2016 erneut schriftlich befragt. In diesem Zusammenhang haben wir speziell auch das Geschlechterverhältnis in den Blick genommen. Das zweite Ziel war es, mehr über die Antriebskräfte häuslicher Mediatisierung zu erfahren und dazu die Materialbasis zu verbreitern. Zu diesem Zweck wurde die Durchführung einer empirischen Erhebung in neu rekrutierten Paarhaushalten realisiert. Diese Haushalte zeichneten sich durch eine umfassende Mediatisierung und Orientierung an digitalen Medientechnologien im häuslichen Medienhandeln aus. Insofern bildeten sie zum bisherigen Panel einen maximalen Kontrast (im Sinne der Grounded Theory). Die Paare wurden gemeinsam befragt und es wurden Haushaltsbegehungen durchgeführt.
Befunde
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts machen deutlich, dass es drei zentrale Gründe gibt, wegen derer Paare das Internet klassischen Massenmedien gegenüber im Kontext der häuslichen Medienrezeption vorziehen. Es sind 1.) eine bessere Integration der Mediennutzung in den Alltag, zudem 2.) spezifische Bedürfnisse und Interessen auf der inhaltlichen Ebene und 3.) Fragen der Identität.
Auf der einen Seite wird das Internet genutzt, um die Medienrezeption besser in die Rhythmen des Alltags zu integrieren und neue Wege der Mediennutzung zu erschließen, etwa indem sie zeitlich und räumlich in die Gegebenheiten des häuslichen Lebens eingepasst wird. Auf der anderen Seite ist die Aneignung des Internets zur Medienrezeption im Häuslichen eng mit dem Wunsch verknüpft, sich Zugänge zu Medieninhalten zu erschließen, die auf anderen Wegen zu Hause nicht rezipiert werden können. Das Internet wird genutzt, um sich sofort und ohne Zeitversatz zu informieren und um Medientexte zu rezipieren, die bedeutungsvoll für die Nutzenden und ihre Partner*innen sind. Dazu zählen Qualitätsserien genauso wie Blogbeiträge oder Musik spezifischer Subkulturen. Die Freiheit, Inhalte auszuwählen, ist somit ein zentraler Grund für eine online-basierte Nutzung von Bewegtbild, Radio, Musik oder Nachrichten.