LERNUNTERSTÜTZUNG

  • Theoretische Beschreibung

    Lernende treten häufig mit tief verankerten und teilweise naiven Vorstellungen über naturwissenschaftliche Phänomene in den Unterricht ein (Duit, 1993; Jonen, Hardy & Möller, 2003). Ihr Vorwissen liegt dabei zu vielen Inhalten und Fragen vor und ist u.a. von alltäglichen Erfahrungen geprägt (Möller, 2018). So kann z.B. der Gebrauch von Schwimmflügeln bei Lernenden die Überzeugung begünstigen, dass das Schwimmverhalten von Gegenständen rein von der enthaltenen Luft abhängt.

    Vor diesem Hintergrund ist es ein Ziel von Unterricht, dass Schülerinnen und Schüler ihre bestehenden Vorstellungen hin zu wissenschaftlich angemesseneren Vorstellungen umstrukturieren. Damit verbunden sind auch der Aufbau, die Entwicklung und die Erweiterung von entsprechenden Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen. Dieser Lernprozess stellt insgesamt hohe Anforderungen an Lernende (Möller, 2018), sodass eine angemessene Lernunterstützung von Seiten der Lehrperson notwendig ist. Ergebnisse der Unterrichtsqualitätsforschung zeigen, dass hierfür eine kognitive Aktivierung bei gleichzeitiger kognitiver Unterstützung bedeutsam für das Lernen der Schülerinnen und Schüler ist (Kleickmann, Steffensky & Praetorius, 2020; Lipowsky, 2006; Möller, 2016).

    Die Relevanz von Lerngelegenheiten mit einem Potential zur kognitiven Aktivierung ergibt sich aus lernpsychologischen Erkenntnissen, nach denen Lernen ein aktiver kognitiver Prozess ist (Reinmann & Mandl, 1996). Lernende müssen ihre vorhandenen Vorstellungen aktiv mit neuen Erfahrungen abgleichen und diese ggf. verändern oder erweitern, um verstandenes und anwendbares Wissen zu konstruieren. Da diese Nutzung von Lerngelegenheiten durch die Lernenden nicht garantiert ist, wird unter einer kognitiven Aktivierung letztlich das Potenzial zur kognitiven Aktivierung verstanden (Kleickmann, 2012).  Entsprechende Maßnahmen der kognitiven Aktivierung zielen demnach darauf ab, die Lernenden kognitiv herauszufordern, d.h. zum Nach- und Weiterdenken anzuregen, um die aktive Konstruktion und Veränderung von Vorstellungen zu ermöglichen (Adamina, 2019).

    Da es sich häufig um anspruchsvolle kognitive Prozesse handelt, besteht die Gefahr, dass Lernende überfordert werden. Dies ist oftmals durch individuelle kognitive Voraussetzungen der Lernenden bedingt, die sich in Unterschieden z.B. in Bezug auf das Vorwissen, der Arbeitsgedächtniskapazität oder der Aufmerksamkeit zeigen (Hasselhorn & Grube, 2008). Die Lernenden können das bereitgestellte Potential zur kognitiven Aktivierung dann ggf. nicht vollständig nutzen. Die Lehrperson sollte deshalb die Komplexität und kognitiven Anforderungen der Lernsituation so reduzieren, dass Lernende diese bewältigen können und Verstehensprozesse ermöglicht werden. Entsprechende Maßnahmen werden als kognitive Unterstützung bezeichnet.

    Maßnahmen der kognitiven Aktivierung und kognitiven Unterstützung werden insbesondere von der Lehrperson eingesetzt. Dabei ist bedeutsam, dass diese jeweils an die individuellen Voraussetzungen und Lernprozesse der Lernenden angepasst sind. So kann eine zu hohe kognitive Aktivierung bei nicht ausreichender kognitiver Unterstützung zu Überforderung führen. Zu viel Unterstützung kann dagegen die notwendige kognitive Aktivität verhindern, um Verstehen zu initiieren (Kleickmann, 2012).

    Die folgenden Ausführungen zeigen auf, wie eine Lehrperson eine angemessene Lernunterstützung mit Hilfe kognitiv aktivierender und kognitiv unterstützender Maßnahmen bereitstellen kann (für eine ausführlichere Beschreibung solcher Maßnahmen, siehe Adamina, 2019; Kleickmann, 2012; Meschede et al., 2015; Möller, 2016).

  • Übersicht zentraler Maßnahmen der Lernunterstützung

    Hier finden Sie eine Übersicht konkreter Maßnahmen der kognitiven Aktivierung und kognitiven Unterstützung, die eine Lehrperson im Unterricht ergreifen kann:

    Kognitive Aktivierung Kognitive Unterstützung
    Vorhandene Vorstellungen erschließen Zielklarheit schaffen                          
    Kognitive Konflikte auslösen Auf sprachliche Klarheit achten  
    Vorstellungen aufbauen bzw. weiterentwickeln Hervorheben
    Anwendung von (neuen, angemessenen) Vorstellungen ermöglichen Zusammenfassen
    Austausch über Vorstellungen und Konzepte anregen Veranschaulichen
    Über eigene Lernprozesse nachdenken Modellieren
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    Eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen finden Sie hier als pdf:

    Übersicht über Maßnahmen der Lernunterstützung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht

     

     

    Wie kann ich die Maßnahmen der Lernunterstützung zur Professionalisierung einsetzen?

    Wie Sie die Maßnahmenübersicht nutzen können, um eine professionelle Wahrnehmung von Lernunterstützung anzubahnen, finden Sie unter Lernen mit Videos.
    Beispielsweise finden Sie dort

    ein digitales Lernmodul zum Thema Lernunterstützung sowie

    Clips und Szenen zur Veranschaulichung und Analyse der Maßnahmen.

  • Übersicht zentraler Maßnahmen der sprachsensiblen Lernunterstützung

    Da viele lernunterstützende Maßnahmen einer Lehrperson sprachlich initiiert sind, kann der Erfolg solcher Maßnahmen innerhalb einer Schülergruppe, die eine große Heterogenität in den sprachlichen Fähigkeiten aufweist, von Sprachbarrieren behindert werden.

    An dieser Stelle setzt eine „sprachsensible Lernunterstützung“ an. Weitere Informationen zur Sprachsensibilität im Sachunterricht sowie zu konkreten Maßnahmen finden Sie im Videoportal ProVision.

  • Literatur

    Adamina, M. (2019). Lernen unterstützen - adaptiv-konstruktiv lehren. In P. Labudde & S. Metzger Susanne (Hrsg.), Fachdidaktik Naturwissenschaft, 1.-9. Schuljahr (3. Aufl., 183-196). Bern: Haupt.

    Duit, R. (1993). Alltagsvorstellungen berücksichtigen! Praxis der Naturwissenschaften Physik, 42(6), 7-11.

    Hasselhorn, M. & Grube, D. (2008). Individuelle Voraussetzungen und Entwicklungsbesonderheiten des Lernens im Vorschul- und frühen Schulalter. Empirische Pädagogik, 22(2), 113-126.

    Jonen, A., Hardy, I. & Möller, K. (2003). Lernen als Veränderung von Konzepten – am Beispiel einer Untersuchung zum naturwissenschaftlichen Lernen in der Grundschule. In D. Cech & H. Schwier (Hrsg.), Lernwege und Aneignungsformen im Sachunterricht (S. 93–108). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

    Kleickmann, T. (2012). Kognitiv aktivieren und inhaltlich strukturieren im naturwissenschaftlichen Sachunterricht. Handreichung im Projekt Sinus an Grundschulen. http://www.sinus-an-grundschulen.de/fileadmin/uploads/Material_aus_SGS/Handreichung_Kleickmann.pdf

    Kleickmann, T., Steffensky, M. & Praetorius, A.-K. (2020). Quality of teaching in science education: more than three basic dimensions? Zeitschrift für Pädagogik. Beiheft, 66(1), 37-53.

    Lipowsky, F. (2006). Auf den Lehrer kommt es an. Empirische Evidenzen für Zusammenhänge zwischen Lehrerkompetenzen, Lehrerhandeln und dem Lernen der Schüler. Zeitschrift für Pädagogik, 51, 47-65.

    Meschede, N., Steffensky, M., Wolters, M., & Möller, K. (2015). Professionelle Wahrnehmung der Lernunterstützung im naturwissenschaftlichen Grundschulunterricht. Theoretische Beschreibung und empirische Erfassung. Unterrichtswissenschaft, 43(4), 317 - 335.

    Möller, K. (2016). Bedingungen und Effekte qualitätsvollen Unterrichts - ein Beitrag aus fachdidaktischer Perspektive. In N. McElvany, W. Bos, H. Holtappels, M. Gebauer, F. Schwabe (Hrsg.), Bedingungen und Effekte guten Unterrichts (S. 43-64). Münster: Waxmann.

    Möller, K. (2018). Die Bedeutung von Schülervorstellungen für das Lernen im Sachunterricht. In M. Adamina, M. Kübler, K. Kalcsics & E. Engeli (Hrsg.), „Wie ich mir das denke und vorstelle…“ – Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu Lerngegenständen des Sachunterrichts und des Fachbereichs Natur, Mensch, Gesellschaft (S. 35-50). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

    Reinmann, G. & Mandl, H. (1996). Lernen auf der Basis des Konstruktivismus. Wie Lernen aktiver und anwendungsorientierter wird. Computer + Unterricht, 6(23), 41-44.

    van de Pol, J., Volman, M. & Beishuizen, J. (2010). Scaffolding in teacher-student interaction: A decade of research. Educational Psychology Review, 22(3), 271-297.