Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts | |||
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Gliederung |
Der Sozialstaat
1. DER SOZIALSTAAT - EINLEITUNG
1.1. Sachlogik von Transferleistungen und Armenversorgung
1.1. Sachlogik von Transferleistungen und Armenversorgung | |
Transferleistungen (= unentgeltliche Leistungen) werden seit der Spätantike sowohl von politischen Institutionen (i.d.R. von den Gemeinden) als auch innerhalb von Familien erbracht. Nach dem Subsidiaritätsprinzip gestaffelte Unterhaltsverpflichtungen bilden in der Frühen Neuzeit den rechtlichen Rahmen ( Eintrag "Unterhalt" in Zedler, Universal-Lexikon Bd. 49 (1746), Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) II 19 §§ 1-3). Generell machen Transferleistungen einen Großteil ökonomischer Ressourcenflüsse aus: Menschen sind voneinander abhängig (Interdependenz), zugleich lassen sich Interdependenzen oft nicht mit Entschädigungen verbinden, so dass sie nicht in Marktbeziehungen integriert werden ( Externalitäten, z.B. Umweltbelastung). Armenversorgung schafft das öffentliche Gut Sicherheit. Ein bedeutendes Problem kollektiven Handelns besteht aber darin, dass es ist auf den Glauben an verbreitete Kooperationsbereitschaft angewiesen ist. Die Handlungsoptionen von Staaten/Gemeinden in der Frühen Neuzeit stellten sich wie folgt dar: Arme werden nach den Dimensionen Fügsamkeit, Nähe, Unvermögen klassifiziert ( Grafik: Klassifizierungen von Armen). Standardlösungen waren: Almosen, Abschiebung, Töten (u.a. "Zigeunerjagden"), Versklavung/Zwangsarbeit (Australien, Mittelmeergaleeren), Arbeitshaus, Zuweisung an (Pflege‑)Familien, Erziehung, Versorgung mit Arbeit.
1.2. Geht Bedürftigkeit den Staat etwas an? | |
Im 18. Jahrhundert gilt Glückseligkeit der Untertanen als Staatszweck ( Justi, Die Grundfeste, Amerikanische Unabhängigkeitserklärung (1776)). Um 1800 wird eine Begrenzung auf "negative Staatszwecke" gefordert ( Humboldt, Ideen; Wilhelm v. Humboldt über den Zweck des Staates (1792)). Der liberale Staat des 19. Jahrhunderts garantiert nur mehr den Rahmen für ein mögliches "Bestreben nach Glückseligkeit" durch die Staatsbürger. Der Nationalstaat des 19. Jahrhunderts ist also zunächst auf den Ordnungsstaat reduziert: Absicherung bzw. Erweiterung der Grenzen nach außen, Schaffung bzw. Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und der öffentlichen Ordnung durch ein staatliches Gewaltmonopol nach innen. Seit dem späten 19. Jahrhundert wird der Staat durch die Entwicklung wirtschaftspolitischer Instrumente (Zölle; Staatsbetriebe; Warenzertifizierung über Lebensmittel- und Markenrecht) wieder zum Interventionsstaat, durch Ergänzung der traditionellen Armenversorgung durch Gemeinden um staatliche Sozialmaßnahmen zum Sozialstaat (Bsp. Jessen, Polizei).
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