Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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EXTERNALITÄTEN

(tl) Unter Externalitäten (oder externen Effekten) des Konsums beziehungsweise der Produktion versteht man Auswirkungen des Güter- beziehungsweise Faktoreinsatzes von A auf den Nutzen oder den Gewinn von B, die im Preissystem nicht erfasst werden (sowohl A wie auch B können einzelne Personen oder Kollektive sein). Die Auswirkungen können dabei sowohl positiv (externe Kosten) als auch negativ (externe Erträge) sein.

Externe Kosten (Erträge) der Produktion (Abbildung 1) entstehen, wenn die bei der Herstellung eines Gutes Kosten entstehen, die höher (niedriger) sind als die Kosten, auf deren Grundlage der Anbieter seine Produktionsentscheidung trifft. Ursache für diese Diskrepanz sind unterschiedliche Kostendefinitionen in der Betriebs- und Volkswirtschaftlehre. Aus betriebswirtschaftlicher (oder privater) Sicht sind Kosten in Geld bewertbarer produktionsbedingter Faktorverzehr. Die volkswirtschaftliche (gesamtwirtschaftliche) Kostendefinition ist weiter gefasst. Kosten werden hier als Verzichtskosten (oder Opportunitätskosten) verstanden. Dass heißt, es wird gefragt, auf welchen Nutzen man verzichten muss, wenn man einen Produktionsfaktor für die Herstellung eines Gutes verwendet und ihn somit nicht mehr für die Herstellung eines anderen auch Nutzen bringenden Gutes verwenden kann (auch die Definitionen von Gut und Faktor sind hierbei sehr weit gefasst). Graphisch entspricht den betriebswirtschaftlichen Kosten die Fläche unterhalb der privaten Angebotskurve (AP) vom Ursprung (0) bis zur jeweils produzierten Menge q. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden durch die Fläche unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve (AG1 beziehungsweise AG2) vom Ursprung (0) bis zur jeweils produzierten Menge q dargestellt.

Liegen externe Kosten der Produktion vor, verläuft die private Angebotskurve AP unterhalb der gesamtwirtschaftlichen AG1, die volkswirtschaftlichen Kosten sind größer als die betriebswirtschaftlichen. Der Produzent orientiert sich nur an seinen privaten Kosten und produziert als Folge im Marktgleichgewicht (Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve) die Menge q0 statt der volkswirtschaftlich optimalen, geringeren Menge q*. Für jede über q* hinausgehende Einheit des Gutes sind aber die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten höher als der zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nutzen [analog zur Angebotskurve entspricht die Fläche unterhalb der volkswirtschaftlichen Nachfragekurve D vom Ursprung (0) bis zur jeweils produzierten Menge q dem gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Konsums dieses Gutes]. Als Beispiel für externe Kosten der Produktion wird häufig die Verschmutzung eines Flusses durch das kostenlose Einleiten von produktionsbedingten Abwässern genannt. Hierbei entstehen für den Produzenten keine betriebswirtschaftlichen Kosten. Sein Vorgehen ist aber mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden, weil andere Nutzer des Flusses (zum Beispiel Angler oder Badegäste) eingeschränkt werden (Fischsterben, Badeverbote).

Bei externen Erträgen der Produktion verläuft die private Angebotskurve AP oberhalb der gesamtwirtschaftlichen AG2, die um den externen Ertrag verringerten volkswirtschaftlichen Kosten sind geringer als die betriebswirtschaftlichen. Der Anbieter kalkuliert auf Grundlage der letzteren und produziert im Marktleichgewicht q0. Volkswirtschaftlich optimal wäre, wenn er sich stattdessen an der Kurve AG2 orientieren und q** herstellen würde, weil für jede über q0 hinaus produzierte Einheit bis zur Menge q** der zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nutzen größer ist als die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten. Externe Erträge der Produktion gibt es zum Beispiel in der Forstwirtschaft. Für den Produzenten beschränkt sich der Ertrag auf den Verkaufsgewinn seines Holzes. Gesamtwirtschaftlich sind zusätzlich Verbesserung der Luftqualität oder Bereitstellung von Freizeitmöglichkeiten als Erträge zu verbuchen.

Externe Kosten (Erträge) des Konsums (Abbildung 2) liegen vor, wenn der Konsum eines Gutes mit Kosten (Nutzen) verbunden ist, welche der Konsument bei seiner Konsumentscheidung nicht berücksichtigt. Er richtet diese nach seinem privaten Nutzen (DP) statt dem um die externen Kosten (Erträge) verringerten (erhöhten) volkswirtschaftlichen Nutzen (DG1 beziehungsweise DG2).

Im Fall von externen Kosten des Konsums verläuft die private Nachfragekurve DP oberhalb der gesamtwirtschaftlichen DG2, der um die externen Kosten verringerte volkwirtschaftliche Nutzen ist geringer als der private Nutzen des Konsumenten. Als Folge wird im Marktgleichgewicht q0 satt der volkswirtschaftlich optimalen Menge q* konsumiert. Für jede über q* hinaus konsumierte Einheit ist der zusätzliche volkswirtschaftliche Nutzen kleiner als die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten. Ein prominentes Beispiel für externe Kosten des Konsums ist das Autofahren. Der Konsum von fossilen Bennstoffen bringt dem Konsumenten den Nutzen der Mobilität. Gleichzeitig sind mit seiner Konsumentscheidung jedoch auch volkswirtschaftliche Kosten (Lärmbelästigung, Schadstoffausstoß) verbunden für die er nicht oder nur zum Teil aufkommen muss.

Bei externen Erträgen des Konsums verläuft die private Nachfragekurve (DP) unterhalb der gesamtwirtschaftlichen (DG2), der um den externen Ertrag erhöhte volkswirtschaftliche Nutzen ist größer als der private Nutzen des Konsumenten. Weil dieser nur mit seinem individuellen Nutzen kalkuliert, fragt er im Marktgleichgewicht nur q0 statt der volkswirtschaftlich optimalen Menge q** nach (für jede über q0 konsumierte Einheit bis zur Menge q** ist der zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nutzen größer als die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten). Ein Bespiel für externe Erträge des Konsums ist ein selbstfinanziertes Studium. Dem Konsumenten bringt dies einen Ertrag, weil er zum Beispiel seine Beschäftigungschancen erhöht. Volkswirtschaftlich ist der Nutzen seines Studiums jedoch größer, weil er aufgrund seiner Ausbildung eventuell ein höheres Einkommen erzielt (und damit das Inlandsprodukt erhöht) und höhere Steuern und Sozialabgaben bezahlt.

Sowohl externe Erträge wie auch externe Kosten der Produktion (des Konsums) haben Wohlstandverluste zur Folge (silber beziehungsweise grau). Entweder wird zuwenig produziert (konsumiert), obwohl die volkswirtschaftlichen Kosten einer zusätzlichen Produktion (eines zusätzlichen Konsums) geringer wären als der zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nutzen; oder es wird zuviel produziert (konsumiert) und die volkswirtschaftlichen Kosten übersteigen den gesamtwirtschaftlichen Nutzen.

Zur Behebung von externen Effekten sind verschiedene Strategien der Internalisierung vorgeschlagen worden. Bei externen Erträgen sollten Subventionen für zusätzliche Produktion (zusätzlichen Konsum) gezahlt werden. Liegen externe Kosten vor, sollten die sie verursachenden Aktivitäten durch Abgaben- oder Zertifikatslösungen eingeschränkt werden.

Abbildungen 1 und 2

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           © 2004 by Ulrich Pfister/Georg Fertig • mail: wisoge@uni-muenster.de