„Für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern bietet das Forschungsprojekt enormes Potenzial“
Dass Studentische Hilfskräfte ihre eigenen Forschungsfragen erarbeiten und im Rahmen ihrer Tätigkeiten selbstständig bearbeiten können, ist eher selten. Im Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ jedoch ist es fast selbstverständlich. Lukas Redeker stieß bei der Eingabe von Bittschreiben in die Projektdatenbank auf das Thema seiner Masterarbeit und erzählt, welchen Wert das Forschungsvorhaben in seinem späteren Beruf als Lehrer haben kann.
Was sind Ihre Aufgaben im Projekt?
Im Projekt übernehme ich vor allem technische Aufgaben. Ich übertrage Bittschreiben mittels des XML-Editors Oxygen in die projekteigene Datenbank, aber auch das Anlegen von Personendatensätzen gehört zu meinen Aufgaben. Daneben führe ich gelegentlich Personenrecherchen durch oder suche nach Literatur für unterschiedliche Forschungsfelder.
Was sind bei dieser Arbeit die Herausforderungen?
Man muss natürlich sehr genau arbeiten und darf keine Übertragungsfehler machen. Dabei kann die XML-Struktur durch ihre Unübersichtlichkeit sehr herausfordernd sein. Manchmal ist es fast ein bisschen frustrierend, dass man vor lauter Tags und Auszeichnungen den eigentlichen Text kaum noch erkennt und es wird schwer vorstellbar, wie die eingegebenen Bittschreiben später auf der finalen Homepage aussehen werden.
Wofür interessieren Sie sich besonders?
Ich möchte mehr über die Schicksale der einzelnen Menschen erfahren, die unter den Verbrechen der Nationalsozialisten gelitten haben. Des Weiteren interessiert mich vor allem die Frage nach der Haltung des Papstes in Bezug auf die Shoah. Wie lief die Bearbeitung der Bittschreiben im Vatikan genau ab? Wer bekam Hilfe und wer nicht? Deswegen habe ich auch meine Masterarbeit auf Basis des Forschungsprojekts zu dem Schweizer Nuntius Filippo Bernardini und seinen Handlungsspielräumen geschrieben.
Warum gerade Filippo Bernardini?
Während meiner Arbeit im Projekt habe ich festgestellt, dass er in vielen Fällen, in denen er involviert war, sehr engagiert versucht hat zu helfen. Im Vergleich mit anderen Nuntien stach dieser Einsatz auf den ersten Blick heraus. Zudem ist die Situation der Schweiz zur Zeit des Zweiten Weltkrieg eine sehr besondere, da sie nicht direkt am Kriegsgeschehen beteiligt war und viele Diplomaten und Hilfswerke dort ansässig waren.
Hat sich Ihr erster Eindruck bestätigt?
Auch wenn ich mir im Rahmen meiner Arbeit nur eine Auswahl der Archivbestände ansehen konnte, hat sich die erste Momentaufnahme bestätigt. Anhand von sechs Einzelschicksalen konnte ich Filippo Bernardinis Handeln exemplarisch analysieren und erste Typologien seines Vorgehens bilden. Das Ergebnis zeigt, dass er seine Handlungsspielräume als Apostolischer Nuntius und als Diplomat in der Schweiz in vielen Fällen zugunsten der jüdischen Bittsteller nutzen konnte.
Haben Sie ein Beispiel?
Die Jüdin Friederike Herzfeld brauchte beispielsweise mehrere Transitvisa, um aus Budapest in die USA auszureisen. Bernardini hat bei den Nuntien und kirchlichen Vertretern der entsprechenden Länder interveniert und konnte so erreichen, dass Friederike Herzfeld schließlich alle Visa erhielt und mit ihrem Sohn in die Vereinigten Staaten emigrieren konnte. Sie hatte Glück! Ich weiß aber auch, dass meine Ergebnisse zunächst vorläufig und fragmentarisch bleiben. Denn erst wenn im Forschungsprojekt alle Fälle mit Bernardinis Beteiligung aufgearbeitet sind, dann wird sich statistisch klären lassen, in wie vielen Fällen er erfolgreich seinen Einfluss nutzen konnte und in welchen nicht.
Können Sie sich vorstellen, Ihre Forschung zu Bernardini im Projekt weiter auszubauen?
Erst einmal nicht. Ich möchte Lehrer werden und werde daher im November dieses Jahrs mein Referendariat beginnen. Doch auch für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern bietet das Forschungsprojekt enormes Potenzial. Gerade wenn man bedenkt, dass das Wissen um den Holocaust zu verblassen droht und häufig sehr abstrakt bleibt, bieten die persönlichen Schicksale der Bittsteller eine große Chance, junge Menschen zu erreichen. Dabei spiegelt sich die große Diversität der aktuellen Schülerschaft auch in der Varianz der Einzelschicksale aus dem Projekt. Das kann sehr produktiv im Sinne des biographischen Lernens sein.
Was wollten Sie schon immer einmal im Vatikan machen?
Mit dem Papst ein Bier trinken und über Gott und die Welt quatschen.