Das Forschungsvorhaben „Asking the Pope for Help“ wird im Gesamten von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gefördert. Durch die neuen Quellen in den vatikanischen Archiven und durch den Projektverlauf ergeben sich jedoch immer wieder neue Forschungsfragen oder auch weitere Projektbausteine, die in Teilprojekten bearbeitet werden. Eine Übersicht über die Teilprojekte und ihre Förderer findet sich hier.
Bausteine für eine didaktisch-methodische Erschließung der Einzelschicksale im Projekt „Asking the Pope for Help“
Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassenwahn und Holocaust hat einen festen Platz in den deutschen Curricula der Schulen. Allerdings gibt es immer wieder Kritik an der einerseits zu abstrakten Darstellung der Themen und andererseits zu starken Fokussierung auf einzelne populäre Biografien in der schulischen Bearbeitung der Themenkreise Antijudaismus, Antisemitismus und Shoah.
Mit der digitalen Edition der Hilferufe jüdischer Menschen an Pius XII. im Rahmen des Projekts „Asking the Pope for Help“ ergibt sich eine völlig neue didaktische Perspektive: In der Auseinandersetzung mit den Bittschreiben können Schülerinnen und Schüler jüdisches Leben allgemein, aber auch jüdisches Leiden und Sterben in den Zeiten von Totalitarismus, Weltkrieg und Shoah entdecken, erschließen und reflektieren. So kann Erinnerungslernen mit neuen Elementen des biografischen Lernens im Anliegen der Holocaust-Pädagogik ergänzt und weiterentwickelt werden.
In einem ersten Pilotprojekt werden daher gemeinsam mit Prof. Dr. Clauß Peter Sajak und seinem Team vom Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheorie erste Unterrichtssequenzen auf Basis der Bittschreiben entwickelt und im Religionsunterricht erprobt. In Einzelstunden sollen die Umstände, die Biografie, der Bittbrief und das weitere Schicksal einzelner Personen vorgestellt und zur Erarbeitung, Erschließung und Reflexion angeboten werden.
Asking the Pope for Help. Papst Pius XII. und getaufte Juden in Rumänien und Brasilien
Obwohl konvertierte Jüdinnen und Juden ab dem Moment ihrer Taufe kirchenrechtlich vollwertige Mitglieder der katholischen Kirche waren und ihnen als solche dieselben Rechte und Pflichten zukamen wie allen Katholiken, galt dieser Umstand nicht bedingungslos im Vatikan. Bis hinauf zu Papst Pius XII. sprachen die Mitarbeiter der Römischen Kurie regelmäßig von „non ariani“, also „Nichtariern“, und übernahmen damit den faschistischen Sprachgebrauch.
Der Fokus der bisherigen Forschung blendet die Situation getaufter jüdischer Menschen während der Shoah weitgehend aus. Mit den vom Exzellenzcluster geförderten Teilprojekten zur Situation getaufter Juden in Rumänien und Brasilien soll diesem Umstand entgegengewirkt werden.
Im Rahmen ihrer Dissertation wird die Theologin Lorena König die Sonderstellung Rumäniens untersuchen und analysieren, welche Vorgänge zahlreiche zum katholischen Glauben konvertierte Jüdinnen und Juden vor der Deportation in ein Vernichtungslager schützte und welche Rolle dabei der Apostolische Nuntius Andrea Cassulo spielte.
Im Brasilien-Teilprojekt wird Alessandro Grazi in den nächsten beiden Jahren den genauen Ablauf der Visavergabe rekonstruieren und die Möglichkeiten sowie Grenzen dieser sogenannten Brasilienaktion erforschen. Dabei beschäftigt er sich insbesondere mit der Gruppe der Katholiken jüdischer Herkunft und der Problematik ihrer Zugehörigkeit. Auf Basis der neuen Quellen ist erstmals eine differenzierte Rekonstruktion möglich, die nicht nur die Einzelschicksale der Bittsteller in den Fokus rückt, sondern auch Aussagen über den Umgang Pius’ XII. und der Römischen Kurie mit jüdisch-stämmigen Katholiken zulässt.
Bürgerwissenschaftliches Engagement im Projekt „Asking the Pope for Help“
Seit Juli dieses Jahres bekommt das Forschungsvorhaben „Asking the Pope for Help“ Unterstützung von elf Citizen Scientists, die gemeinsam mit dem Projektteam Personendaten recherchieren, Bittschreiben in die Datenbank eingeben oder handschriftliche und maschinenschriftliche Schreiben aus verschiedensten Sprachen abschreiben. Als aktive Forscherinnen und Forscher helfen sie dabei, die Bittschreiben jüdischer Verfolgter wieder sichtbar zu machen und tragen dazu bei, die wissenschaftliche Fragestellung nach dem Handeln des Papstes und der katholischen Kirche gegenüber den Verfasserinnen und Verfassern der Briefe zu beantworten.
Durch ihre Mitarbeit im Projekt erwerben die Citizen Scientists Kenntnisse der kirchenhistorischen Editionsarbeit und ihrer Methodik. Darüber hinaus setzen sie sich lernend und forschend mit den Digital Humanities und innovativen virtuellen Forschungsinfrastrukturen auseinander. In der Arbeit mit den Bittschreiben eröffnen sich zudem neue Perspektiven auf die Lebensgeschichten Verfolgter, auf Leid und Hoffnung während der Shoah sowie das Kirchenverständnis der Verfolgten. Ziel der gemeinsamen Arbeit ist es, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in wissenschaftliche Methoden zu stärken und gleichzeitig eine stärkere Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schaffen.
Das Forschungsvorhaben profitiert auf vielfache Weise von dem ehrenamtlichen Engagement der Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Durch die mannigfaltigen Sprachkenntnisse der Citizen Scientists unterstützen sie das Projekt bei der Transkription der Briefe. Ihre aufwändige Recherche von Personenverknüpfungen leistet einen großen Mehrwert für die Identifikation von Verwandtschaftsverhältnissen und der Zusammenführung von Personendateien in der Edition. So tragen sie zur Datengewinnung im Projekt bei, die in diesem Zeitraum, in diesem Umfang und in dieser Tiefe ohne ihre Mitwirkung nicht möglich wäre.