© KHK EViR/Lennart Pieper

Standesamt im Lotharinger Kloster

Es handelt sich bei einem Standesamt um einen Ort, an dem Aufgaben erledigt werden, die das Personenstandsgesetz betreffen. Neben dem meist im feierlichen Rahmen stattfindenden Vollzug und der Beurkundung von Eheschließungen werden hier auch Geburten und Todesfälle dokumentiert und entsprechende Urkunden ausgestellt. Diese werden in Personenstandsregistern (Geburten-, Heirats- und Sterberegister) geführt. Somit stellt die standesamtliche Überlieferung eine zentrale Quelle für das Rechtsleben jedes Einzelnen und dessen Rechtsbeziehungen dar. Standesämter gibt es in deutschen Gemeinden seit 1874 (in Preußen) bzw. einheitlich seit 1876 (Inkrafttreten des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875). In Münster sind erste standesamtliche Beurkundungen für den Oktober 1874 nachzuweisen.

Dokument zur Eheschließung
© Stadtarchiv Münster, Amt 33.

Die standesamtliche Trauung erfolgt vor der kirchlichen Trauung – sofern diese überhaupt vorgesehen ist. Die Rolle der Standesbeamten als Staatsdiener hat sich seit Einführung der Standesämter stark gewandelt. Waren es anfangs oftmals ehrenamtlich tätige Bürgermeister, Volksschullehrer, in ländlichen Gebieten auch Gutsbesitzer oder Landwirte, so professionalisierte sich der Beruf des Standesbeamten im Laufe der Jahre immer weiter. Den Standesbeamten kam eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, weil der Staat Einfluss auf die Führung der Personenstandsregister nahm und die Standesämter von Beginn an öffentlichrechtliche Behörden waren. Gerade mit Blick auf die Vorbereitungen (das „Aufgebot“) und die Durchführung von Eheschließungen konnte ihre Rolle unter bestimmten Bedingungen eine verhindernde oder zumindest verzögernde sein, etwa bei den ehe- und rassepolitischen Gesetzen unter den Nationalsozialisten oder bei der Handhabe von Eheschließungen mit (als unerwünscht eingeschätzten) Ausländerinnen und Ausländern.

Seit 2004 befinden sich Standesamt und Trausäle im Lotharinger Kloster.
© KHK EViR/Jona Moritz

In Münster kam es im Zuge der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zum Verlust des Dienstgebäudes in der Eisenbahnstraße 6. Hierbei wurden unter anderen die Namensverzeichnisse aller Personenstandsregister und Sammelakten seit 1874 vernichtet. Zum Kriegsende befand sich das Münsteraner Standesamt im Gebäude der Oberfinanzdirektion am Hohenzollernring, nachdem das Stadthaus, wo es sich vorher befunden hatte, ebenfalls zerstört worden war. Seit 1949 befand sich das Standesamt zunächst im Sparkassengebäude Rothenburg 7-8, ehe es wieder im Stadthaus zu finden war. Seit Ende 2004 werden Trauungen im Lotharinger Kloster in der Hörsterstraße vorgenommen. Es handelt sich dabei um ein ehemaliges barockes Kirchengebäude, das Mitte des 18. Jahrhunderts von Johann Conrad Schlaun erbaut worden ist. Im Lotharinger Kloster, das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und nur äußerlich wiederaufgebaut wurde, war zuvor das Stadtarchiv der Stadt Münster untergebracht, das dann nach Coerde verlegt wurde.

Christoph Lorke

 

Zum Weiterlesen:

Verwaltungsbericht der Stadt Münster, 1945–1954, Stadtarchiv Münster, Signatur 265 Band 2, S. 115.

Christoph Lorke, Liebe verwalten. ‚Ausländerehen‘ in Deutschland 1870–1945, Paderborn 2020.