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„Ich will herausbekommen, wie Spermien die Eizelle finden“

Im Labor mit Prof. Timo Strünker / Interviewreihe des Exzellenzclusters "Cells in Motion"
Prof. Dr. Timo Strünker ist Mitglied des Exzellenzclusters "Cells in Motion" und arbeitet am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie.
© UKM/FZ

Herr Prof. Strünker, mit welcher wissenschaftlichen Frage beschäftigen Sie sich aktuell?

Ich beschäftige mich mit dem Beginn allen Lebens: mit Spermien. Ich erforsche, wie sich Spermien bewegen, wie sie die Eizelle finden, wie sie den Lockstoff der Eizelle verarbeiten. Entscheidend dafür sind bestimmte Ionenkanäle im Spermienschwanz. Das haben wir bei Seeigelspermien – einem Modellsystem – bereits gut verstanden. Jetzt geht es darum, diese Erkenntnisse auf den Menschen zu übertragen. Dabei muss man wissen, dass Spermien und Eizellen von Seeigel denen der Menschen sehr ähneln. Seeigel sind allerdings externe Befruchter, die ihre Spermien im Meerwasser abgeben. Ihre Spermien haben es also noch viel schwerer die Eizelle zu finden, die gerade einen Lockstoff ausstößt. Die Signalwege müssen also noch sensibler als im Menschen funktionieren.

Was macht Sie als Wissenschaftler persönlich aus?

Ich habe in Köln studiert, in Jülich promoviert und war danach erst einmal für fast vier Jahre in der Pharmaindustrie. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich vielleicht zu früh in die Pharmaindustrie eingestiegen bin. Ich habe schnell allein ein Labor geleitet. Ein halbes Jahr lang war das spannend. Ich dachte, es würde so weitergehen. Aber im Endeffekt war es weniger aufregend als gedacht. Als mein früherer Doktorvater dann Direktor am Forschungszentrum caesar wurde, einem Max-Planck-Institut in Bonn, und mich als Leiter einer Arbeitsgruppe dabei haben wollte, habe ich direkt zugeschlagen. Ich hatte Glück und war dort erfolgreich. Nun halte ich seit Mai 2015 eine Professur im Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie in Münster inne. Es gibt keinen besseren Platz für unsere biophysikalische Forschung an Spermien als hier.

Was ist ihr großes Ziel als Wissenschaftler?

Ich will genau herausbekommen, wie menschliche Spermien ihre Umgebung wahrnehmen, die Eizelle tatsächlich finden und was dabei schief laufen kann. Dafür müssen wir unsere Methoden und Modelle, die wir bei teilweise mit Hilfe der Seeigelspermien etabliert haben, erfolgreich beim Menschen anwenden.

Was ist ihr liebstes technisches Forschungsspielzeug und was kann es?

Das ist die Stopped-Flow-Fluometrie, die eigentlich aus der Chemie stammt. Damit kann man schnelle chemische Reaktionen beobachten, die in wenigen Millisekunden stattfinden. Wir haben die Technik adaptiert und können damit in hoher Zeitauflösung zusehen, wie menschliche Spermien auf verschiedene Lockstoffe reagieren.

Erinnern Sie sich an Ihren größten Glücksmoment?

Sehr gut sogar. Das war ein Ereignis im Jahr 2009, das alles änderte. Wir hatten uns an der Frage die Zähne ausgebissen, welche Ionenkanäle in menschlichen Spermien für die Reaktion auf Lockstoffe verantwortlich sind. Drei Jahre lang habe ich mir alle möglichen Eventualitäten überlegt und Experimente gemacht. Die Ergebnisse waren alle negativ; wir kamen einfach nicht weiter. Dann haben wir eine neue Technik angewendet. Und von einem Tag auf den anderen war die Lösung da. In dem Moment war klar: Wir hatten ein neues Forschungsfeld entdeckt.

Und wie sah ihr größter Frustmoment aus?

Das waren die Jahre vor diesem Ereignis.

Welches wissenschaftliche Phänomen begeistert Sie heute noch regelmäßig?

Ich lasse mich so unheimlich schnell für verschiedene Dinge begeistern. Mich beeindrucken zum Beispiel unsere Sinnesleistungen, das Sehen, Riechen, Schmecken. Die Signalverarbeitung ist so beeindruckend.

Auf welche große ungelöste wissenschaftliche Frage hätten Sie gern eine Antwort?

Kann ich die Frage schieben? Obwohl … auf eine Frage hätte ich tatsächlich gern eine Antwort: Wann spielt der 1. FC Köln endlich wieder international.