„Die Neugier treibt mich bis heute an“
Herr Prof. Adams, mit welcher wissenschaftlichen Frage beschäftigen Sie sich aktuell?
In unserer Arbeitsgruppe interessieren wir uns für Blutgefäße, und zwar in vielerlei Hinsicht. Zum einen möchten wir herausfinden, wie Blutgefäße wachsen und wie dazu verschiedene Zelltypen miteinander kommunizieren und sich verbinden. Darüber hinaus erforschen wir seit einigen Jahren, wie Blutgefäße mit den Zellen des umliegenden Gewebes interagieren und so die Knochenbildung steuern. Im Speziellen interessieren wir uns für bestimmte Kapillaren, also kleinste Gefäße, die sogenannte Knochenvorläuferzellen stimulieren, wodurch sich Knochen bildet. Wir sehen uns diese Kapillaren in Mäusen an und haben bereits beobachtet, dass sie in älteren Tieren weitgehend verschwunden sind. Wenn wir die Kapillaren experimentell wieder stimulieren, bilden sich umgekehrt tatsächlich wieder Knochen. Unsere Ergebnisse könnten für den Knochenschwund im alternden Organismus von Bedeutung sein.
Was macht Sie als Wissenschaftler persönlich aus?
Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Schon als Kind habe ich mich sehr für die Natur interessiert, habe zum Beispiel Kaulquappen gefangen und beobachtet, wie sie sich in Frösche verwandelt haben. Diese Neugier treibt mich bis heute an. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass ich nie zufrieden bin: Wenn wir etwas Spannendes herausgefunden und publiziert haben, denke ich zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder über neue Fragestellungen nach. Wissenschaft wandelt sich ständig, und ich finde es einfach faszinierend, dass man so viele Sachen erforschen kann. Die Herausforderung ist eigentlich, sich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren und sich nicht zu verzetteln. Auch außerhalb der Wissenschaft kann ich ehrgeizig sein: Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, Marathon zu laufen– aktuell trainiere ich für Starts in Marseille und Hamburg.
Was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftler?
Im Moment ist es einer meiner größten Wünsche, die Erkenntnisse, die wir über Gefäße und das Knochenwachstum gewonnen haben, auf Krankheitsmodelle anzuwenden – zum Beispiel auf die Osteoporose. In Deutschland sind fast zehn Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Es wäre ganz toll, wenn sich in zehn, 15 oder 20 Jahren herausstellen würde, dass man unsere Ergebnisse nutzen kann, um Menschen zu helfen. Dann wäre für mich wirklich ein Lebenstraum als Wissenschaftler erfüllt.
Was ist Ihr liebstes technisches Forschungsspielzeug und was kann es?
Als Gruppenleiter arbeite ich selbst nicht mehr wirklich aktiv an Geräten, aber mich hat schon immer die Bildgebung stark fasziniert – zum Beispiel, was wir mit Konfokalmikroskopen oder Zwei-Photonen-Mikroskopen alles machen können. Mich begeistert die Möglichkeit, mit diesen Verfahren Prozesse dynamisch zu verfolgen, also sich über einen Zeitraum hinweg anzusehen, wie sich Zellen bewegen.
Erinnern Sie sich an Ihren größten Glücksmoment als Wissenschaftler?
Auch als Wissenschaftler hat man es natürlich mit einer Menge Alltagsgeschäft zu tun, aber manchmal gibt es Momente, bei denen man wirklich das Gefühl hat, etwas Bedeutendes erreicht zu haben. Ein besonderer Moment war 2014, als es uns gelungen war, zwei wichtige Arbeiten gleichzeitig bei einem großen Journal zu publizieren. Erstens war es toll, diese neuen Zusammenhänge hinsichtlich der Knochenbildung zu entdecken. Und dass wir die ersten waren, die sie gesehen hatten und unsere Ergebnisse wirklich so veröffentlichen konnten – das war das zweite Highlight.
Und wie sah Ihr größter Frustmoment aus?
Im Forschungsalltag hat man immer mit Rückschlägen zu kämpfen, zum Beispiel, wenn ein Versuch nicht klappt oder ein Journal ein Paper ablehnt. Ich erinnere mich noch an einen sehr frustrierenden Moment aus der Zeit, als ich noch am Anfang meiner Laufbahn stand: Wir waren gerade dabei, ein Manuskript vorzubereiten, als ich eines Tages eine Fachzeitschrift aufschlug und dort ein neues Paper einer anderen Forschergruppe sah, das im Prinzip all unsere Ergebnisse beinhaltete. Als junger Gruppenleiter, wenn man sich noch viele Sorgen um seine Zukunft macht, war das wie ein Schlag in die Magengrube. Ich habe daraus aber gleichzeitig gelernt, dass man sich nicht von Rückschlägen herunterziehen lassen soll: Wir haben ein Jahr lang an der Fragestellung weitergearbeitet und dann das große Ganze viel besser verstanden, sodass wir am Ende eine wirklich tolle Geschichte publizieren konnten, die auch tatsächlich eine Relevanz für eine humane Erkrankung hatte.
Welches wissenschaftliche Phänomen begeistert Sie heute noch regelmäßig?
Es gibt sehr viele Dinge, die mich begeistern und die ich mit großem Interesse verfolge. Ich habe in der Neurobiologie promoviert. Obwohl ich nicht mehr in diesem Bereich forsche, ist die Art und Weise, wie das Gehirn funktioniert, für mich immer noch eines der faszinierendsten Themen. Wie Informationen gespeichert und abgerufen werden – das sind Prozesse, die bis heute nur ansatzweise verstanden sind.
Auf welche große, wissenschaftliche Frage hätten Sie gern eine Antwort?
Ich würde gerne wissen, wie sich Blutgefäße therapeutisch nutzen lassen, um Knochenverlust zu therapieren. Über meinen eigenen Forschungsschwerpunkt hinaus finde ich es sehr spannend, die Blutgefäßforschung und die Neurobiologie miteinander zu vereinen: Was ist die Rolle von Blutgefäßen bei neurodegenerativen Erkrankungen? Es wäre interessant zu wissen, ob zum Beispiel bei der Alzheimererkrankung Blutgefäße auch eine kausale Rolle spielen – darauf gibt es erste Hinweise.
Wie viel Kunst, Kreativität und Handwerk steckt in Ihrer Wissenschaft?
Das Interessante an unserem Beruf ist eigentlich, dass viele verschiedene Aspekte zusammenkommen. Kreativität ist sehr wichtig für unsere Arbeit – sie zu erhalten ist aber immer eine Herausforderung, weil natürlich die Fülle an Terminen Kreativität regelrecht abwürgen kann. Einen ästhetischen Aspekt hat unsere Arbeit vor allem dann, wenn wir uns Daten angucken, zum Beispiel um die Aufnahmen einer genetisch veränderten Maus und einer Kontrollmaus zu vergleichen. Dabei ist auch ein gutes Auge gefragt – und genauso viel Erfahrung. Gleichzeitig muss man als Forscher auch ein guter Manager sein: ein gutes Team aufbauen, viel Papierkram erledigen, die eigenen Ergebnisse nach außen hin kommunizieren. Das ist eigentlich die große Herausforderung, all diese Bereiche abzudecken und vielseitig zu sein.