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Beruf: Ärztin und Wissenschaftlerin

Nadine Heiden verbindet auf ihrem Karriereweg als „Clinician Scientist“ Tätigkeiten in Krankenversorgung und Forschung
Nadine Heiden ist Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Fachärztin für Nuklearmedizin. Gleichzeitig forscht sie zur medizinischen Bildgebung von Entzündungen.
© Uni MS/Erk Wibberg

Neben der Spezialisierung zur Fachärztin einen zweiten Doktor in der naturwissenschaftlichen Forschung zu machen – diese Idee sah die Medizinerin Nadine Heiden zunächst als Experiment. Denn in ihrem Umfeld gibt es noch nicht viele Kolleginnen und Kollegen, die diesen Weg gehen. „Ich wollte schon immer beides – mich um Patienten kümmern und forschen“, sagt die 30-Jährige. Ihr Klinikchef Prof. Dr. Michael Schäfers, der selbst als Arzt und Wissenschaftler aktiv ist, ermutigte sie, den Gedanken zu verfolgen.

Seit knapp eineinhalb Jahren ist Nadine Heiden am Universitätsklinikum Münster (UKM) Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Fachärztin für Nuklearmedizin. Dort durchläuft sie verschiedene Stationen, kümmert sich unter anderem um Patienten mit Tumor-, Schilddrüsen- und Herzerkrankungen, stellt mit Hilfe bildgebender Verfahren Diagnosen und führt Therapien durch. Im Klinikalltag diskutiert sie zahlreiche Patientenfälle mit ihren Kollegen und absolviert begleitende Fortbildungen. Um sich während dieser Spezialisierungsphase auch der Forschung widmen zu können, ist sie zeitweise von ihren klinischen Tätigkeiten freigestellt. In dieser geschützten Zeit arbeitet sie in einem Forschungsverbund der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster an einem wissenschaftlichen Projekt zur Bildgebung von Entzündungen – zunächst in Vollzeit, später sollen beide Tätigkeiten je nach Bedarf Teil des Berufsalltags sein. „Während meiner Forschungszeit bin ich nicht in der Klinik eingesetzt, so dass ich mich auf meine Tätigkeit im Labor konzentrieren und Versuchsreihen verlässlich planen kann“, erklärt sie. Damit der Klinikbetrieb ohne zusätzliche Arbeitsbelastung für die ärztlichen Kollegen weiterlaufen kann, finanziert der Forschungsverbund eine Vertretungsstelle. Dieses an Medizinischen Fakultäten in Deutschland verbreitete Fördermodell für „Clinician Scientists“ soll Medizinerinnen und Medizinern ermöglichen, eine klinische und wissenschaftliche Karriere miteinander zu kombinieren – denn eine enge Verbindung zwischen Krankenversorgung und Forschung ist entscheidend für den medizinischen Fortschritt. Ein Knackpunkt bei der doppelten Qualifizierung ist, dass sie mit dem persönlichen Karriere- und Lebensweg vereinbar bleiben muss. Denn das Medizinstudium dauert bereits gut sechs Jahre und die fachärztliche Weiterbildung noch einmal mindestens fünf Jahre. Zwölf Monate ihrer Forschungstätigkeit werden Nadine Heiden auf Antrag bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe für die Facharztweiterbildung angerechnet, da beides inhaltlich eng verbunden ist.

Die klinische Relevanz ist bei jedem Versuch mein erster Gedanke.

In der Forschung macht es Nadine Heiden besonders Spaß, ihre eigenen Ideen verfolgen zu können: „Man stößt immer wieder auf neue Fragen und Herausforderungen“, erzählt sie. An ihrem Beruf als Ärztin schätze sie, Menschen mit ihren Krankheiten helfen zu können und mit ihnen gemeinsam gangbare Wege zu finden. „Wenn ich mich für eins von beiden hätte entscheiden müssen, hätte mir ganz sicher etwas gefehlt“, sagt sie. Deshalb entschloss sie sich schon während ihres Studiums der Humanmedizin an der WWU, parallel den Master in „Experimenteller Medizin“ zu machen, der angehende Ärztinnen und Ärzte in der naturwissenschaftlichen Forschung ausbildet und für ein entsprechendes Promotionsstudium qualifiziert. „Die Fragestellungen, mit denen man in beiden Bereichen täglich zu tun hat, sind sehr unterschiedlich, und man braucht verschiedene Herangehensweisen, um Lösungen zu finden“, sagt Nadine Heiden. Die Kombination empfindet sie als Bereicherung.

Das verbindende Element zwischen ihrer Arbeit in der Klinik und in der Forschung ist die Bildgebung. Die Nuklearmedizin setzt für die Diagnose und Therapie von Erkrankungen radioaktive Substanzen ein. Mit empfindlichen Tomographen kann Radioaktivität schon in geringen Mengen gemessen werden, und so lässt sich in Bildern sichtbar machen, wie sich die sogenannten Radiopharmaka im Körper verteilen. Mit ihrer Hilfe lassen sich beispielsweise Transport- und Stoffwechselprozesse bildlich darstellen, die Funktion von Organen beurteilen oder Tumorgewebe identifizieren. In der Therapie werden höher dosierte Radiopharmaka eingesetzt, die sich zum Beispiel an Tumorgewebe binden und dieses durch ihre radioaktive Strahlung gezielt zerstören. Mit ihrem Forschungsprojekt ist Nadine Heiden Teil eines Teams, das daran arbeitet, bestimmte Zellen des Immunsystems – die Monozyten – im Organismus bildgebend darzustellen, unter anderem mithilfe radioaktiver Substanzen. „Wir wollen sichtbar machen, wie sich diese Zellen über die Zeit im Körper verhalten, und herausfinden, welchen Beitrag sie dazu leisten, Entzündungsreaktionen einerseits voranzutreiben und andererseits wieder zu beenden“, erklärt Nadine Heiden. Auf diese Weise will das Team um den Nuklearmediziner Prof. Dr. Michael Schäfers und den Immunologen Prof. Dr. Johannes Roth Entzündungen und ihre Stadien genauer verstehen. Nadine Heiden erforscht in diesem Projekt zwar zunächst grundlegende Mechanismen im Körper, dennoch ist es ihr wichtig, den möglichen Nutzen, den ihre Forschungsergebnisse vielleicht einmal in der Behandlung von Patienten haben könnten, klar vor Augen zu haben. „Die klinische Relevanz ist bei jedem Versuch mein erster Gedanke“, sagt sie.

Die Hürden sind gar nicht so hoch, wie man denkt.

Um eine Förderung für ihr Forschungsprojekt einzuwerben, beschrieb Nadine Heiden in einem Antrag ihr wissenschaftliches Vorhaben und erläuterte, wie Forschungszeit und klinische Weiterbildungszeit miteinander kombiniert werden sollen. Anschließend stellte sie sich und ihre Projektideen persönlich bei einer Auswahlkommission vor und erhielt kurz darauf die Förderzusage des Sonderforschungsbereichs 1450 „inSight“ – einem von mehreren großen biomedizinischen Forschungsnetzwerken der WWU. In diesem Verbund arbeiten Mediziner, Biologen, Chemiker, Mathematiker und Informatiker eng zusammen. „Durch die Einbindung in diese Community bekommt man wertvolle Kontakte und es werden einem neue Horizonte eröffnet“, erzählt sie. Auch der Antrag an die Ärztekammer für die Anrechnung der Forschungstätigkeit auf die Facharztweiterbildung war gleich erfolgreich. „Die Hürden sind gar nicht so hoch, wie man denkt,“ sagt Nadine Heiden. Die Unterstützung durch ihre Klinik und ihr Forschungsinstitut sei dabei wichtig, und sie profitiere zudem sehr von der Erfahrung ihres Chefs.

Als Nadine Heiden nach einigen Monaten Forschungsarbeit erstmals wieder in der Klinik eingesetzt war, war das für sie ein Augenblick, in dem sie spürte, dass es wirklich funktionieren könne, Klinik und Forschung im Berufsalltag miteinander zu vereinen – nicht nur in der Theorie. „Ich habe gemerkt: Du bist schnell wieder im Team, und die Hände wissen noch, was sie tun müssen“, erzählt sie. Wenn sich in ihrer Laufbahn vorübergehend einmal nicht beides kombinieren lassen sollte, sei das okay. „Beides macht mir Spaß und eröffnet viele Optionen“, sagt sie. „Für mich persönlich nimmt das den Druck eher raus.“

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Autorin: Doris Niederhoff