Zwischen Forschung und Familie
Als Julia Ghelman vor rund zwei Jahren erfuhr, dass sie und ihr Mann Eltern werden, hatte die Biomedizinerin gerade ihre Promotion an der Universität Münster begonnen. In einer Arbeitsgruppe des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ untersucht die Wissenschaftlerin die Hintergründe der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose. Sie möchte herausfinden, welche Faktoren das Bewegungsverhalten von Zellen des Zentralen Nervensystems bestimmen. Während ihrer Schwangerschaft konnte Julia Ghelman aus Sicherheitsgründen jedoch nicht mehr alle Arbeiten im Labor erledigen, und mit Beginn des Mutterschutzes musste sie ein paar Monate lang komplett aussetzen. „Für eine längere Zeit das Projekt zu unterbrechen, wäre aber nicht möglich gewesen“, sagt sie. Julia Ghelman fand eine Lösung, als sie auf das Programm „LabAid“ des Exzellenzclusters stieß.
Schwangere Wissenschaftlerinnen können im CiM für sechs Monate eine studentische Hilfskraft beantragen, die sie für zehn Stunden in der Woche als LabAid, also Laborhilfe, in ihrer praktischen Arbeit unterstützt. Das Programm soll die Gleichstellung von Wissenschaftlern fördern und dazu beitragen, Familie und Karriere besser miteinander vereinbaren zu können. Dieser Spagat ist nicht immer einfach, denn eine wissenschaftliche Karriere ist mitunter mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, Tätigkeiten an verschiedenen Universitäten und dadurch vielen Umzügen verbunden. Die Folge: Nach wie vor sind Frauen in der Wissenschaft in leitenden Positionen unterrepräsentiert.
Unterstützung für schwangere Forscherinnen
Julia Ghelman bewarb sich bei der CiM-Gleichstellungskommission um eine Laborhilfe und bekam kurze Zeit später die Zusage. Die Entscheidung, wer sie bei ihrer Arbeit unterstützt, fällte sie selbst. Nach den Auswahlgesprächen mit einigen Masterstudierenden stand fest, dass Katharina Groll ihr als Laborhilfe zur Seite stehen wird. „Das war ein absoluter Glücksgriff“, sagt Julia Ghelman. „Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.“
Nach einer Einarbeitungszeit war es Katharina Grolls Aufgabe, Vorarbeiten für die Hauptversuche zu erledigen. „Das hat alles wunderbar funktioniert“, erzählt Julia Ghelman. „Auch während meiner Abwesenheit hatten wir ständigen Kontakt. So konnte ich Fragen beantworten und war andererseits immer auf dem Laufenden.“ Ab zwei Monaten nach der Geburt erhöhte sie ihre Arbeitszeit stundenweise – so konnten die beiden etwa ein halbes Jahr lang zusammenarbeiten.
Und heute? Katharina Groll hat mittlerweile selbst eine Doktorandenstelle am Institut für Neuropathologie. Julia Ghelman befindet sich im dritten Jahr ihrer Promotion – ihre Tochter Mariam ist 15 Monate alt und tagsüber in der WWU-Kita Chamäleon untergebracht. „Ich merke, dass sich meine Prioritäten etwas verändert haben. Ich bleibe nicht mehr bis acht Uhr abends im Labor“, erzählt Julia Ghelman. Deshalb ist die 27-Jährige froh, dass ihr Arbeitsplatz sehr familienfreundlich ist, sie ihre Tochter mal für eine Stunde mitbringen oder gelegentlich von zu Hause aus arbeiten kann. In Zukunft möchte Julia Ghelman gerne an der Universität bleiben, entweder in der Forschung oder im Wissenschaftsmanagement. „Dann könnte ich unter anderem Wissenschaftlerinnen unterstützen, die in einer ähnlichen Situation sind. Jede Uni braucht eine solche Anlaufstelle“, sagt sie.
Entlastung für Forscherfamilien
Nicht nur schwangere Forscherinnen, auch Wissenschaftlerinnen mit Kleinkindern können vom LabAid-Programm des Exzellenzclusters profitieren und eine Laborhilfe beantragen. Das gilt auch für Wissenschaftler, insofern ihre Partnerin ebenfalls in der Wissenschaft tätig ist. „Für Forscherfamilien bedeutet das eine große Entlastung“, ist sich die Biologin Dr. Eva Korpos sicher. Sie untersucht am Exzellenzcluster, wie beim Typ-1-Diabetes Immunzellen ihr Ziel erreichen, die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Nach der Geburt ihres Sohns vor zwei Jahren und einer sechsmonatigen Elternzeitpause war ihre Rückkehr in die Wissenschaft kein Problem. Denn auch Eva Korpos hatte eine Laborhilfe.
Ein Medizinstudent führte in dieser Zeit unter ihrer Anleitung ihre Versuchsreihen durch, anschließend analysierten sie gemeinsam die Ergebnisse. „Eine tolle Sache“, resümiert Eva Korpos. Die Zusammenarbeit klappte reibungslos, ihre Hilfskraft betreute die Projekte vorbildlich. „Ich konnte mich voll und ganz auf meinen Sohn konzentrieren, wenn ich ihn aus der Krippe abgeholt hatte. Ohne LabAid hätte ich abends oder am Wochenende die Arbeit im Labor fertigstellen müssen“, sagt sie.