Von Münster nach Houston
Manchmal kann ein Praktikum im Ausland als Sprungbrett für eine internationale Karriere dienen, oder aus dem Praktikum entwickelt sich ein Beruf. Bei Dr. Tim Sauer war es so. Im Sommer 2015 arbeitete er noch als Oberarzt im Bereich der Knochenmarktransplantation am Universitätsklinikum Münster. Über das „Train Gain“-Programm des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ (CiM) der WWU Münster finanzierte er ein Praktikum am Baylor College of Medicine in Houston. Schnell reifte sein Entschluss, in den USA für einen längeren Zeitraum zu forschen und zu leben. Inzwischen hat er sich in der amerikanischen Großstadt häuslich eingerichtet – im Interview mit Frank Schlegel berichtet er, wie es dazu kam und was er an seinem neuen Arbeitsplatz macht.
Ihr Praktikum in Houston hat Sie offenbar mitgerissen. Was hat Sie in dieser Zeit überzeugt, auch nach dem Praktikum dort zu forschen?
In Münster habe ich bislang vorwiegend als klinisch tätiger Arzt gearbeitet. Während meines Praktikums am Zentrum für Zell- und Gentherapie des Baylor College habe ich gemerkt, dass mich auch die wissenschaftliche Arbeit im Labor, das Experimentieren und die Suche nach neuen Behandlungsmethoden sehr fasziniert. In dieser Zeit habe ich den Entschluss getroffen, mich für eine gewisse Zeit aus der klinischen Tätigkeit zurückziehen und ausschließlich der Forschungsarbeit zu widmen. Mir war auch sofort klar, dass ich dafür die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten in Houston nutzen will. Der Schritt vom Bekannten zum Unbekannten ermöglicht immer einen Blick über den Tellerrand.
Wie kamen Sie auf die Idee, im Zuge des „Train-Gain“-Programms ein Praktikum in Houston zu absolvieren?
Die Direktorin der UKM-Kinderonkologie, Prof. Claudia Rössig, hat selbst als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Zell- und Gentherapie gearbeitet und hält seitdem Kontakt. Sie erzählte mir von den ausgezeichneten Expertisen und der kollegialen Zusammenarbeit in Houston. Mein Chef am UKM hat mich zudem auf das „Train-Gain“-Programm hingewiesen, das Forschungsaufenthalte von CiM-Nachwuchswissenschaftlern fördert. Dieser Austausch soll dazu dienen, neue Methoden und Techniken zu erlernen und den eigenen Horizont zu erweitern.
In den USA führen Sie nun Ihre Forschung im Gebiet der adaptiven T-Zell-Therapie fort. Wie gestaltet sich Ihre neue Arbeit?
Am Zentrum für Zell- und Gentherapie modelliere und teste ich derzeit CAR-T-Zellen. Das sind weiße Blutkörperchen, die mit einem Rezeptor Krebszellen aufspüren können. Dieser erkennt die unerwünschten Tumorzellen anhand einer bestimmten Struktur auf ihrer Oberfläche. Im ersten Schritt suche ich nach einer solchen Struktur. Dabei ist besonders wichtig, dass sie nur auf den Krebszellen und möglichst nicht auf gesunden Zellen des Körpers vorkommt, da die CAR-T-Zellen andernfalls auch die gesunden Körperzellen angreifen würden. Es ist ein langer Weg, bis sich ein Rezeptor im Labor als effektiv und vor allem als sicher erwiesen hat. Erst dann können wir den Rezeptor in einer klinischen Studie bei Krebs-Patienten einsetzen und testen, ob er wirklich die gewünschte Wirkung erzielt: dass die weißen Blutkörperchen gezielt die bösartigen Zellen angreifen und beseitigen.