© Bonnie Plitzkat

Koran-Manuskript aus dem subsaharischen Afrika

Inv.-Nr.:           Hs. 2
Datierung:      Ca. 13. Jh. n. H./ spätes 18. bis
                          frühes 19. Jahrhundert n. Chr.
Geo. Bezug:   Sahelregion
Umfang:          Ursprünglich 187 Folios ,
                          Seiten 180 - 184 fehlen
Material:         Papier, Leder
Maße:              Erste Seite:
                          27 cm x 16,5 cm x 27cm x 17,5 cm;
                          Restliche Seiten:
                          29,5 cm x 20cm x 29 cm x 21 cm
Duktus:           maġribī
Provenienz:   vermutlich von Prof. Hubert Grimme
                         Anfang des 20. Jahrhunderts in
                         Nordafrika erworben, aus dem
                         Nachlass von Prof. Dr. Hubert
                         Grimme in den Besitz des Instituts
                         übergegangen
 
Bei dem Koranmanuskript aus dem subsaharischen Afrika handelt es sich um ein ganz besonderes Objekt unserer Institussammlung. Nur wenige Museen besitzen Manuskripte dieser Art in ihrer Sammlung, weshalb sich die Erforschung der charakteristischen Illuminationen und anderer regionaler Merkmale noch in ihren Anfängen befindet. Die sogenannte Ajami-Forschung, die sich mit Sprachen des subsaharischen Afrika in arabischer Schrift widmet, trägt glücklicherweise massiv zu einem umfangreicheren Forschungstand bei.
Das Manuskript ist nicht gebunden und umgeben von jeweils einem groben losen Lederumschlag auf der Vorder- und Rückseite. Für die Aufbewahrung des Manuskriptes ist eine Ledertasche mit Träger vorgesehen. Diese Aufbewahrungsart ist typisch für Korane im Gebiet Niger, Tschad und Nigeria des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Die Ledertasche soll neben der praktischen Funktion auch als Schutz vor dem „bösen Blick“ dienen. Die Lederumschläge weisen an der Außenseite Fellrückstände auf, die vermutlich von einem Rind oder einem anderen kurzhaarigen Nutztier stammen.
Es fehlen die Folios 180 bis 184. Das Folio 179 endet mit Sure al-Qiyāma – die Auferstehung (Sure75) Vers 35 von 40 Versen und das Folio 185 beginnt mit der Sure al-Balad – die Ortschaft (Sure 90). Es fehlen also fünf Folios mit 15 Suren.
Auf dem ersten Folio des Manuskriptes befinden sich verschiedene Textabschnitte mit schwarzer Tinte, sowohl auf Arabisch als auch in einer indigenen Sprache, vermutlich altes Kanembu. Diese Textabschnitte sind von religiösem Inhalt, die Übersetzung und Auswertung der Abschnitte befinden sich jedoch noch in der Anfangsphase.
Das zweite Folio enthält die Sure al-Fātiḥa und den Anfang der Sure al-Baqara bis Vers 3. Die beiden Suren werden getrennt von einer Illumination im Flechtmuster mit darin eingeschlossenen Kreisen, in denen sich wiederum kleinere Kreise befinden. Diese wurden mit einem Zirkel oder einem ähnlichen Instrument gezeichnet, deutlich erkennbar ist dies an der Einstichstelle im Kreiszentrum. Die Illuminationen bestätigen die zeitliche und geographische Einordnung des Manuskriptes durch ihre häufige Verwendung in anderen Manuskripten. Auf der rechten Seite des Blattes sind weitere Illuminationen in Form von Kreisen und in ihnen enthaltenem Muster zu finden. Es wurde braune und rote Tinte im gesamten Manuskript verwendet, die für ähnliche Manuskripte typische gelbe Farbe findet sich hier nicht. Der Korantext ist mit schwarzer Tinte geschrieben und mit roter vokalisiert. Die Surenüberschriften sind ebenfalls jeweils in Rot geschrieben.
In Folge starker Abnutzung ist die erste Seite kleiner als die restlichen Seiten. Die Basmala der Sure al-Fātiḥa ist deshalb nur noch in Resten zu erahnen. Der Schriftduktus orientiert sich am Maġribī -Stil, weist aber regionaltypische Abweichungen auf. Besonders auffällig ist die für den Maġribī -Stil charakteristische Schreibweise der Buchstaben fāʾ und qāf: Beim fāʾ befindet sich der diakritische Punkt unterhalb statt oberhalb des Buchstabens, das qāf weist statt wie üblich zwei nur einen diakritischen Punkt oberhalb des Buchstabens auf. Der Duktus, der leicht von der in Nordafrika gebräuchlichen Variante des Maġribī abweicht, ist ebenfalls für das späte 18. bis frühe 19. Jahrhundert in Niger, Tschad oder Nigeria typisch.
Die Verse werden alternierend von Kreisen, roten Punkten und Pyramidenformen getrennt. Ersteres gibt die Zehner an, zweites die Fünfer und die Pyramidenformen die restlichen Verse.
Die ersten Seiten des Manuskriptes sind mit arabischen Randglossen versehen, ab Folio 11 und auf den folgenden Blättern fehlen diese Kommentare.
Auf den meisten Folios sind insgesamt drei verschiedene Wasserzeichen in wechselnden Variationen zu finden: drei Halbmonde und die lateinischen Buchstaben G und M. Die Verwendung von Wasserzeichen macht einen europäischen Ursprung des Papiers sehr wahrscheinlich, da diese im arabischen Raum nicht verbreitet waren und lateinische Buchstaben nur in europäischen Wasserzeichen benutzt wurden. Das Motiv der tre lune, der Halbmonde, war im europäischen Raum sehr beliebt für Papiere, die in den arabisch-islamischen Raum exportiert wurden. Innerhalb der europäischen Länder wurden christliche Motive und Wappen sowie Initialen am häufigsten verwendet.

-Bonnie Plitzkat
 
Literatur:
Blair, Sheila S.: Islamic Calligraphy. Edinburgh 2008.
Nobili, Mauro: Arabic Scripts in West African Manuscripts: A tentative Classification from the de Gironcourt Collection. In: Islamic Africa 2:1 (2011). S. 105 – 133.

Links:
Arabische afrikanische Handschriften in der British Library
Ajami-Project an der Universität Hamburg
Blog des Ajami-Projects der Uni Hamburg