„Der Rhythmus transportiert alles“
Text: Adele Jakumeit
Dieser Text stammt aus dem alumni|förderer-Magazin in der Universitätszeitung "wissen|leben", Ausgabe Sommersemester 2020.
„Namaskar – ich verneige mich vor dem Göttlichen in dir“: Mit diesem Gruß beginnt für Tillmann Schürfeld der Unterricht im „Taal Yogi Ashram“ in Pune im Westen Indiens. Erst vor wenigen Monaten hat der Schlagzeuger seinen Bachelorabschluss an der Musikhochschule Münster absolviert. Jetzt widmet er sich einer intensiven Ausbildung bei seinem Guru Taal Yogi Pt. Suresh Talwalkar, einem der legendären Tabla-Lehrer Indiens und dem größten Tabla-Meister unserer Zeit. Die Tabla ist ein Instrument der klassischen indischen Musik. Sie besteht aus zwei Trommeln, einer großen Basstrommel aus Metall, Bayan genannt, und der kleinen Melodietrommel Dayan aus Holz, die beide mit den Händen gespielt werden und deren Beherrschung große Virtuosität erfordert. „In der indischen Musik sind die melodische und die harmonische Ebene eher sekundär. Der Rhythmus transportiert alles“, erklärt Tillmann Schürfeld.
Fünf Monate dauert die Ausbildung, die der 24-Jährige von November bis März mit 25 anderen Musikern in der Lehrstätte seines Gurus, dem Ashram, durchläuft. Täglich sind es bis zu zehn Stunden Unterricht, untermalt vom mystischen Klang der indischen Laute Tanpura. Was der Schlagzeuger hier lernt, nennt er „Storytelling through rhythm“. Dahinter steht der Gedanke, dass Musik nicht nur klingt, sondern auch etwas zu sagen hat. „Man kann jede Geschichte in Musik übersetzen. Mein Guru ist jemand, der genau das beherrscht. Jeder Schlag hat eine Bedeutung, nichts passiert zufällig. Das hat natürlich einen spirituellen Hintergrund, es geht aber auch um die Reflexion direkter Gefühle in der Musik.“
Tillmann Schürfeld ist schon zum dritten Mal in Indien. Geplant war das anfangs nicht, doch dann kam das Beethovenfest in Bonn im Jahr 2018, an dem der junge Musiker durch die Vermittlung seines Hauptfach-Professors Stephan Froleyks teilnehmen konnte. In einem Austauschprojekt mit indischen Musikern lernte Tillmann Schürfeld dort Freunde fürs Leben kennen – und gründete mit ihnen das Ensemble ANAHAD. Der Name ist Hindi für „grenzenlos“ und steht programmatisch für die künstlerische Vision, die die acht jungen Musiker aus Deutschland und Indien teilen. „Zum einen geht es um den interkulturellen Austausch, zum anderen darum, mit musikalischen Klischees zu brechen. Mein Traum ist es, westliche Popmusik, also mein Herzstück, meine musikalische Heimat, mit indischer klassischer Musik zu verbinden, weil diese Welt einfach so riesig ist und so ein großes Potenzial hat“, schwärmt er.
Stephan Froleyks, Prodekan der Musikhochschule Münster und Professor für Schlagzeug und Musik anderer Kulturen, ist stolz auf seinen ehemaligen Schüler und verfolgt dessen Laufbahn gespannt. „Tillmann ist ein Paradebeispiel für einen vielseitigen und gut ausgebildeten, kommunikativen Musiker. Ein bisschen auch ein Musiker des neuen Typs, jemand, der ein wiedererkennbares Profil entwickelt und keine Berührungsängste mit Neuem hat.“ Profilentwicklung sei gerade – aber nicht nur – im Pop-Bereich wichtig. Um dies auch den Studierenden zu vermitteln, hat Stephan Froleyks zum 100-jährigen Jubiläum der Musikhochschule im Jahr 2019 die Reihe der Alumni-Konzerte ins Leben gerufen, bei denen regelmäßig Absolventen der Musikhochschule auftreten. Sie können den Studierenden als Ansprechpartner und Vorbilder dienen. „Was mir besonders gefällt, ist, dass die Profile unserer Absolventen sehr unterschiedlich sind“, meint der Prodekan.
Auch Tillmann Schürfeld gehört als Alumnus jetzt zu den Experten. Seine Studienzeit in Münster hat ihm den Mut gegeben, seinen eigenen Weg zu gehen. „Das Studium ist sehr familiär, individuell und zukunftsorientiert. Man bewirbt sich als Instrumentalist und kommt am Ende als ganzer Musiker heraus. Neben dem Instrumentalunterricht und Aspekten wie Harmonielehre, Songwriting und Studiotechnik geht es auch um Musikbusiness, Management und Vermarktung. Ich habe zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht, ob das jetzt ein Pflichtseminar ist oder nicht. Man ist einfach gerne da.“