In der Riege der Reformationsjubiläen kann das Jahr 1524 bisher keinen Platz für sich beanspruchen, so dass ihm in der älteren und jüngeren Kirchengeschichtsschreibung nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und es in der Reformationschronologie fast kaum beachtet wird. Löst man sich jedoch von der Fixierung auf eine globale oder epochale Perspektive und betrachtet stattdessen die Vielfalt sozialer, kirchlicher und theologischer Kontroversen, die im Jahr 1524 leidenschaftlich geführt werden, bietet das Jahr 1524 ein äußerst spannendes Bild, das sich auf zwei Ebenen erfassen lässt: Auf einer Makroebene scheint sich ein gewisses Desinteresse der politischen, kirchlichen und theologischen Institutionen und Entscheidungsträger gegenüber dem Verlauf der Reformation abzuzeichnen. Zugleich entfaltet sich auf der Mikroebene des inner- wie antireformatorischen Diskurses eine sich stetig radikalisierende Eigendynamik. Die äußeren reformatorischen Abgrenzungsprozesse führen zu einer inneren Klärung, wodurch die theologischen Unterschiede innerhalb der reformatorischen Bewegung zunehmend deutlich sichtbar werden. Die dynamische Verhältnisbestimmung von Mikro- und Makroebene wirkt für die Tagung als eine Art hermeneutischer Schlüssel, um das Jahr 1524 als Schwellenjahr zu beleuchten und somit historiographisch aufarbeiten und rehabilitieren zu können. Diese neujustierte Perspektive als Schwellenjahr prägt die historischen und systematischen Untersuchungen des Symposions dahingehend, dass – ausgehend von der Interferenz von globalen und regionalen Konstellationen – im Jahr 1524 der Anstoß zu irreversiblen Entscheidungsprozessen vermutet wird. Der Tagung geht es also darum, angesichts der Vielfalt der maßgeblichen Faktoren – theologisch, politisch, sozial, kulturell – den Anschein des Zufälligen zu minimieren und bestimmende Synergien zu identifizieren. Interkonfessionell und interdisziplinär stellt sie die doppelte Frage: Inwiefern fördern die reformationsgeschichtlichen Makroprozesse die Dynamik der Diskurse des Jahres 1524? Wie wirken die regional bzw. thematisch begrenzten politischen und theologischen Dispute dieses Jahres auf die Makroebene zurück und stellen die Weichen für den weiteren Verlauf der Reformationsgeschichte?

Veranstaltungsort | Katholisch-Theologische Fakultät, Johannisstr. 8-10, 48143 Münster, KTh I

Anmeldung bis zum 1. September 2024 unter | patrickbahl@uni-muenster.de oder j.elberskirch@uni-muenster.de

  • Eröffnungsvortrag

    12. September 2024

    18:00 Uhr | Prof. Dr. Anna Vind: Pandora’s box? The reformation year of 1524

  • 1. Bibelauslegung

    Donnerstag, 12.09.2024

    15:00 Uhr | Prof. Dr. Ulrike Treusch: Das Jahr 1524 als Schwellenjahr reformatorischer und humanistischer Bibelauslegung?

    15:45 Uhr | Prof. Dr. Régis Burnet: Cajetan vs. Luther: Exegetischer Konsens vs. ekklesiologischer Dissens

     

  • 2. Kirchenpolitik

    Freitag, 13.09.2024

    9:00 Uhr | Dr. Jan Martin Lies: Von Schwellen, Wegmarken und Zielgeraden. Reformation und Politik im Jahr 1524 anhand von Beispielen

    9:45 Uhr | Prof. Dr. Dr. Jörg Bölling: Luthers Liturgie. Reformatorischer Impetus und römische Rezeption der „Formula missae“

  • 3. Dogmatische Theologie

    Freitag, 13.09.2024

    11:00 Uhr | Prof. Dr. Michael Roth: Willensfreiheit – Thema der Reformation und Thema der Gegenwart

    11:45 Uhr | Dr. Giovanni Tortoriello: The Free Will Debate and the Identity of the Early Reformation Movements

  • 4. Sakramententheologie und Gottesdienst

    Freitag, 13.09.2024

    14:00 Uhr | Dr. Martin Lüstraeten, M.A.: Das liturgische Jahr – die drei deutschen Messen und ihre Wirkung

    14:45 Uhr | Christian Boerger: „so sunst on vorgehendes wort [...] Mesß nit soll gnent werden“ – Das ‚Wort‘ als Medium liturgischer Profilierung

     

  • 5. Theologische Schriftstellerinnen und ihr Einfluss auf die Reformation

    Freitag, 13.09.2024

    16:00 Uhr | Prof. Dr. Ute Gause: „Antwort in Gedichtweis‘“ – Argula von Grumbach und ihre lyrische Auseinandersetzung mit einem Schmähgedicht

    16:45 Uhr | Prof. Dr. Anne Conrad: Einfallsreiche Lösungen? – Zur Positionierung altgläubiger und reformatorischer Theologinnen um 1524

  • 6. Kontroverstheologie

    14. September 2024

    9:00 Uhr | Dr. Kathrin Henseleit: Thomas Murners Netzwerk – eine Fallstudie zu kontroverstheologischen Diskurskoalitionen

    9:45 Uhr | Dr. Dr. Johannes Elberskirch:  Die Spitze der Polemik – die Enttheologisierung der kontroverstheologischen Debatte