Impuls für den internationalen Dialog
Feldstudien im Amazonas, Forschungsarbeit im Labor und Einblicke in eine fremde Kultur: Das sind nur einige Beispiele dafür, was das neue Doppelabschlussprogramm des Fachbereichs Biologie für Studierende zu bieten hat. Seit vier Jahren gibt es bereits einen Austausch zwischen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster und der Universität von São Paulo (USP) in Brasilien. Zum Wintersemester wird die Kooperation auf eine neue Ebene gehoben. Dann können Masterstudierende, die mindestens ein Semester an der Partnerhochschule verbracht haben, von beiden Universitäten einen Abschluss verliehen bekommen.
"Die Nachfrage war von Anfang an groß. Zuletzt gab es immer mehr Bewerber auf die wenigen Plätze", berichtet Prof. Eva Liebau vom Institut für Zoophysiologie der WWU, die den Austausch im Jahr 2013 gemeinsam mit ihrem brasilianischen Kollegen Prof. Carsten Wrenger ins Leben gerufen hat. Seit 2014 fördert der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) das Projekt über das "Unibral"-Programm und ermöglichte bislang 17 Studierenden der WWU ein Auslandssemester in Brasilien. Nach vier Jahren läuft die Förderung nun aus. "Eine gute Gelegenheit, um die erfolgreiche Zusammenarbeit zu festigen und zu intensivieren", betont Eva Liebau. Schließlich sei Brasilien ein strategisch wichtiges Partnerland der WWU.
Mit dem neuen Doppelabschlussprogramm soll dem bestehenden Austausch mehr Struktur gegeben werden. "Jetzt werden die Studierenden unter anderem mit einem speziell konzipierten Modul auf den Auslandsaufenthalt vorbereitet", erläutert Programmkoordinatorin Dr. Roda Niebergall. Das Modul beinhaltet zum Beispiel wissenschaftlich-technisches Arbeiten, aber auch ein kulturelles Training und ein interaktives Seminar.
Einer der ersten Studierenden, die ein Auslandssemester an der USP absolvierten, ist Thomas Müntefering. Er hat viel Positives aus dieser Zeit mitgenommen: "Neben den Erfahrungen im Labor lernt man nebenbei einen anderen Kontinent kennen und sammelt ein Potpourri an Eindrücken", berichtet er. "Ich kann jedem nur empfehlen, diese Chance im Studium zu nutzen." Obwohl Brasilien ein Schwellenland sei, habe die Forschung dort ein ähnliches Niveau wie in Deutschland. "Die Labore an der Universität von São Paulo sind auf einem ähnlichen Stand wie bei uns. Dennoch wird zum Teil anders gearbeitet. Das macht es sehr interessant."
Charlotte Kaiser erinnert sich ebenfalls gern an die lehrreichen Seminare. Ihr besonderes Interesse gilt der Parasitologie. "Es war sehr spannend für mich, mit dem Erreger der Malaria tropica zu arbeiten." Wie bei Thomas Müntefering liegt auch ihr Aufenthalt an der USP bereits einige Semester zurück. "In Deutschland gibt es nur wenige Labore mit entsprechender Sicherheitsstufe, um Infektionskrankheiten wie Malaria zu erforschen", erklärt sie. Zudem sei es schwer, an Proben zu gelangen, denn diese dürften nicht einfach per Post verschickt werden. In Brasilien seien diese Erreger dagegen weit verbreitet, die Forscher säßen sozusagen "an der Quelle". Generell hätten Tropenkrankheiten wie Dengue und Zika durch die größere Verbreitung einen ganz anderen Stellenwert in der südamerikanischen Forschung als in Europa.
Auch für den internationalen Arbeitsmarkt sei der Auslandsaufenthalt ein Vorteil, betont Eva Liebau. Der Doppelabschluss sei für Studierende eine gute Möglichkeit, um sich aus der großen Zahl von Biologie-Absolventen hervorzuheben. "Bei der Auswahl achten wir einerseits auf die Leistungen, andererseits aber auch darauf, ob die Bewerber gut Englisch sprechen und schon Auslandserfahrung haben", sagt Roda Niebergall. Schließlich sei Brasilien nicht mal eben um die Ecke und zum Teil weit von europäischen Standards entfernt. In Sachen Forschung könnten die Deutschen dagegen vom Wissen ihrer brasilianischen Kollegen profitieren. "Das Institut für biomedizinische Wissenschaften in São Paulo ist sehr renommiert", urteilt Eva Liebau. Vielleicht sei das Doppelabschlussprogramm auch ein Impulsgeber für einige Arbeitsgruppen, den internationalen Dialog weiter voranzutreiben, hofft sie. "Langfristig können wir alle davon nur profitieren."
Autorin: Julia Schwekendiek
Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 2, 26. April 2017.