Verfolgt, ausgeschlossen, drangsaliert
"Bei Ihnen versucht ja kein Gesetz Ihre Daseinsberechtigung anzutasten und zu vernichten. […] Wir bekommen in keinem Fall unsere Approbation", schrieb die jüdische Medizinstudentin Luise Charlotte Brandenstein im November 1933 an eine Bekannte. Und der Bibliothekar Günter Goldschmidt, den die münstersche Universität 1934 wegen seiner halbjüdischen Herkunft entließ, wehrte sich: "Meine Situation ist die denkbar Qualvollste. Keine Brücke führt für mich zum Judentum ... Ich stehe auf deutschem Boden, darin wurzele ich tief und innig mit aller Kraft meines Herzens, meiner Seele und meiner Sehnsucht." Die beiden wurden wie mehr als 60 weitere Studierende, Mitarbeiter und Professoren während der NS-Zeit vonseiten der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) behindert, drangsaliert, ausgeschlossen und verfolgt. Mit dem Gedenkkonzept "flurgespräche" will die WWU die Betroffenen wieder ins Bewusstsein rücken und ihre Lebensgeschichten erzählen. Im Rahmen einer Feierstunde wurde das neue Konzept gestern (23. November) der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ein wesentlicher Bestandteil der "flurgespräche" sind 20 Installationen, die noch bis zum 18. Dezember auf den Fluren sieben verschiedener Gebäude der Universität gezeigt werden: Projektionen von Türen verweisen auf verlassene Büros. Daneben angebrachte Türschilder, die mit einer interaktiven Audio-Funktion ausgestattet sind, laden den Betrachter dazu ein, in einen Dialog mit den Verfolgten einzutreten. Die Installationen sind in den Fachbereichen aufgebaut, an denen die Verfolgten einst tätig waren.
Zusätzlich zu den Installationen gibt es die Website www.flurgespräche.de, die am 23. November freigeschaltet wurde und dauerhaft zugänglich bleibt. Hier können Interessierte die Lebensläufe der insgesamt 65 Betroffenen nachlesen und die Audio-Elemente der Installationen anhören. Außerdem sind dort Informationen zum Konzept und zu den Orten der Installationen zu finden.
Das Konzept beruht auf der Arbeit von Studierenden der WWU, die drei Semester lang die Lebensgeschichten der Betroffenen erforschten und zu Papier brachten. Beteiligt waren regulär Studierende sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer des "Studiums im Alter", die das Seminar "Opfer des Nationalsozialismus an der Universität – Forschen und Gedenken" absolvierten. Das Seminar wurde vom Universitätsarchiv und von der Kontaktstelle Studium im Alter angeboten und von Dr. Sabine Happ und Dr. Veronika Jüttemann geleitet. Auf Grundlage der Lebensläufe entwickelten zwei Design-Studentinnen der Fachhochschule Münster, Laetitia Korte und Lara Ludwigs, im Rahmen ihrer Bachelorarbeiten das Gedenkkonzept "flurgespräche".