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Münster (upm/bn)
Dr. Walter j. Schütz bei seiner letzten Stichtagssammlung im vergangenen Jahr.<address>© Bernd Arnold</address>
Dr. Walter j. Schütz bei seiner letzten Stichtagssammlung im vergangenen Jahr.
© Bernd Arnold

"Mr. Pressestatistik"

Kommunikationswissenschaftler Dr. Walter J. Schütz im Alter von 83 Jahren gestorben

Was für eine langweilige und damit mühselige Arbeit! Eine Woche lang jede einzelne Ausgabe der deutschen Tageszeitungen durchblättern, sortieren und empirisch auswerten. Und doch wie lohnend. Denn Meinungsbildung beginnt auf der lokalen Ebene, wird nach wie vor wesentlich von Regionalzeitungen bestimmt. Wie viele es davon gibt und wie groß damit die Meinungsvielfalt ist, ist eine wichtige Komponente der Demokratie. Der Mann, der über ein halbes Jahrhundert diesen Parameter empirisch bestimmt hat, ist am Mittwoch, 27. November 2013, gestorben. Dr. hc Walter J. Schütz, Alumnus und Ehrendoktor der Universität Münster, wurde 83 Jahre alt.

24 Jahre alt war er, als er 1954 die erste so genannte Stichtagssammlung startete. Ausgangspunkt war die Behauptung, es gebe immer weniger Lokalausgaben in Deutschland und damit immer weniger Möglichkeiten, sich über Politik, Sport und Kultur direkt vor Ort zu informieren. Doch belastbare Daten dafür gab es nicht, so dass Schütz als erster auf die Idee kam, die einzelnen Ausgaben anzufordern. Denn hinter einem oftmals identischen "Mantel", dem überregionalen Teil, verbergen sich mitunter zig verschiedene Lokalteile.

Um die ebenso unterschiedlichen wirtschaftlichen Verflechtungen zu benennen - mal eigenständige kleine Verlage, die den Mantel einkaufen, mal Unterabteilungen des eigenen Verlags, definierte Schütz als erster die Begriffe der "Publizistischen Einheit" und des "Verlegers als Herausgebers" - Standard für Generationen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft, denen "der" Schütz auch als einer der Herausgeber des Standardwerks "Medienrecht" ein Begriff war.

Als leidenschaftlichem Zeitungsleser waren ihm Stichtagssammlungen nur nach außen hin ein Graus. Immerhin rund 12.000 Zeitungen aus einer Woche mussten dann in seinem Privathaus in Bonn untergebracht werden. Doch heimlich genoss es Schütz, wenn er wieder eine Neugründung oder eine lange vermisste Lokalausgabe entdecken konnte. Zu seinen Mitstreitern und Gästen gehörten viele der bekanntesten Publizisten Deutschlands, für seine Arbeit bekam er nie Geld, aber immerhin das Bundesverdienstkreuz.

 

Zur Person:
geboren am 27. Juli 1930 in Bochum
Von 1949 bis 1953, nach dem Abitur an der Oberrealschule Deggendorf, studierte Walter Justus Schütz Germanistik, Publizistik, Geographie und Geschichte an den Universitäten Münster (als Schüler von Walter Hagemann) und München. Während dieser Zeit war er auch als freier Mitarbeiter der Wattenscheider Lokalzeitungen tätig, im Frühjahr 1953 zudem als Praktikant in der Nachrichtenredaktion des Funkhauses Köln des NWDR. Von 1953 an war er bei Hagemann wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Universität Münster.

1954 leitete er dort die erste Stichtagssammlung der bundesdeutschen Tageszeitungen mit ihren damals 1500 unterschiedlichen Ausgaben, der in den Jahrzehnten danach sieben weitere folgen werden. Seine umfangreiche Tätigkeit zum quantitativen Aufbau, zur Struktur und Entwicklung des deutschen Pressemarktes nach 1949 brachte ihm den Namen „Bonns Mr. Pressestatistik" (FAZ) ein. Von 1960 bis 1995 war Schütz im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung tätig, zunächst als Hilfsreferent und von 1967 an als Regierungsrat im Referat Pressedokumentation, Pressearchiv und Bibliothek, zuletzt als Leiter des Medienreferats im Rang eines Ministerialrats. Von 1970 bis 1995 war Schütz mitverantwortlich für die Medienberichte der Bundesregierung und ebenso für die kommunikationswissenschaftlichen Forschungsprojekte der Bundesregierung. 1983 wurde er Ehrendoktor des Instituts für Publizistik der WWU, dem heutigen Institut für Kommunikationswissenschaft.