„Sichtbarkeit rechtspopulistischer Inhalte wird zunehmen“
Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, verzichtet auf beiden Plattformen in den USA zukünftig auf unabhängiges Fact-Checking. Bisher arbeitete Meta mit externen Unternehmen, die die Inhalte auf Facebook und Instagram überprüfen und im Zweifel kennzeichnen sollten. Diese Kooperation wird nun aufgekündigt. Meta-Chef Mark Zuckerberg möchte die Beurteilung von Fakten in die Hände der Nutzerinnen und Nutzer legen. Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jakob Jünger von der Universität Münster erläutert im Interview mit Johannes Wulf, wie er die Entwicklung beurteilt.
Der Meta-Konzern hat angekündigt, den Fakten-Check auf den Plattformen Facebook und Instagram in seiner bisherigen Form in den USA einzustellen. Man setze stattdessen auf Anmerkungen von Nutzerinnen und Nutzern. Welche Herausforderungen oder Gefahren bringt diese Maßnahme mit sich?
Diese Vorgänge bewerte ich ambivalent. Erstens wird deutlich, dass Online-Plattformen keine unregulierten Räume, sondern durchaus gesellschaftspolitisch steuerbar sind. In den vorangegangenen Jahren hat der Meta-Konzern laut eigenen Angaben unter anderem ein weltweites Netzwerk von rund 15.000 Moderator*innen aufgebaut, in Moderationstechnologien investiert und ist zum größten Finanzierer von Fact-Checking-Organisationen geworden. Dies kann als Reaktion auf den politischen Druck der vergangenen Jahre gesehen werden, vor allem aus dem demokratischen Lager. Auch die EU hat einen Rechtsrahmen geschaffen, in den sich Plattformkonzerne nach und nach eingefügt haben.
Zweitens kann man davon ausgehen, dass nun die Sichtbarkeit rechtspopulistischer und auch diskriminierender Inhalte auf den Plattformen des Metakonzerns zunehmen wird. Mit den Änderungen folgt Meta den Vorwürfen und Forderungen aus dem republikanischen Lager. Zuckerberg begründet die Abschaffung von Fact-Checking mit einem vermeintlichen Bias der Fact-Checker, ein vornehmlich rechtspopulistisches Narrativ. Es stimmt zwar soweit sich das einschätzen lässt, dass mehr rechtspopulistische als linksliberale Inhalte moderiert werden. Dabei unterschlägt er aber, dass der Großteil desinformierender und diskriminierender Mitteilungen eben aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Bereich kommt.
Es wird zunehmend wichtiger werden, als Nutzer*in von Plattformen Falschinformation und Diskriminierung selbst zu erkennen und dem entgegen zu treten. Das gilt aber nicht nur für den Bereich der Online-Kommunikation. Hier spiegeln sich besorgniserregende gesellschaftspolitische Entwicklungen. Wir alle sind aufgefordert, den diskriminierenden Praktiken politischer Akteure entgegen zu treten.
Welche Folgen könnte die Entscheidung für Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland haben?
Die Abschaffung von Fact-Checking ist nur eine der angekündigten Maßnahmen. Folgenreicher werden möglicherweise andere Änderungen der Moderation Guidelines: Facebook streicht eine Reihe an Regeln, die etwa geschlechtsbezogene Diskriminierung eindämmen sollen. Zudem stellt sich Zuckerberg hinter den autoritär-nationalistischen Kurs Donald Trumps, indem er ankündigt: „Finally, we're going to work with President Trump to push back on governments around the world.“
Damit sind auch die EU und Deutschland adressiert, die Online-Plattformen wie Facebook mit dem Digital Services Act zu Transparenz und Moderation verpflichten. Sollte Meta das Fact-Checking auch hier abschaffen, würde dies ein alternatives Modell zum Umgang mit rechtsverstoßenden Inhalten erfordern und kann letztlich sogar zu Strafen für Meta führen. Der Digital Service Act ist eine dringend notwendige Errungenschaft der europäischen Politik zur Verteidigung gegen die Macht internationaler Onlinekonzerne. Es bleibt zu hoffen, dass die EU und Deutschland der angekündigten politischen Einflussnahme standhalten. Denn auch den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland ist eine Zunahme an unhaltbaren und diskriminierenden Inhalten auf Online-Plattformen nicht zu wünschen.
Wie anfällig sind Plattformen wie Facebook und Instagram generell für Desinformation?
Es ist einfacher, spannende Falschnachrichten und aufregende Beleidigungen zu schreiben, als Aussagen kritisch zu prüfen und auf ein freundliches Miteinander zu achten. Es ist auch einfacher, damit Aufmerksamkeit zu erreichen, die sich in Form von Weiterleitungen und Weitererzählungen niederschlägt. Das gilt nicht nur für Online-Plattformen, hier sind allerdings schneller hohe Reichweiten mit problematischen Folgen zu erreichen. Daraus ergibt sich eine Verantwortung für Plattformen und auch die Politik.
Was ist Ihnen zu diesem Thema noch wichtig?
Die Regulierung von Online-Kommunikation ist ein anhaltender Aushandlungsprozess. Über die Jahre werden entlang gesellschaftspolitischer Strömungen immer wieder neue Modelle ausgetestet – es bleibt zu hoffen, dass sich die Entwicklung irgendwann wieder einer stärker wertschätzenden und diskriminierungsfreien Kommunikation zuwendet. Dabei tragen Nutzer*innen genauso Verantwortung wie Politiker*innen und Online-Plattformen.