Universität für alle
Ein hoher Zaun trennt drei Menschen vom Geschehen auf der anderen Seite. Daher erhalten sie als Hilfsmittel Kisten, auf die sie steigen können. Sollen alle von ihnen das Gleiche bekommen, also jeweils eine davon? Das würde für den Mittleren und den Größten von ihnen locker ausreichen, für den Dritten jedoch noch lange nicht. Oder darf die kleinste Person auf drei aufeinandergestapelte Kisten steigen, während die größte auch ohne Hilfsmittel noch über das Hindernis hinwegschauen kann? Das würde allen gerecht. Mit diesem anschaulichen Bild verdeutlichte Prof. Dr. Andrea D. Bührmann, dass es zwar nicht immer leicht ist, der Diversität einer Gesellschaft Rechnung zu tragen, es sich aber in jedem Fall lohnt.
Die Professorin vom Institut für Diversitätsforschung der Universität Göttingen berät und unterstützt Unternehmen, Hochschulen und Kommunen bei ihren Diversitätsstrategien. In Münster gab sie beim ersten „Diversity Brown Bag Meeting“ der Katholisch-Theologischen Fakultät Impulse zum Thema „Diversität und Intersektionalität“. Intersektionalität bezeichnet das Zusammenwirken von Diskriminierungs- oder Privilegierungsmechanismen bei Menschen, die nicht nur einer entsprechenden Gruppe angehören, sondern mehreren: zum Beispiel als schwarze Frau. Die Forschung geht davon aus, dass sich dadurch die Probleme für die Betroffenen mehr als nur addieren. Viele davon sind für Nicht-Betroffene unsichtbar oder am Rande der Wahrnehmung. Mit Fragen wie „Was sagen Sie als Frau dazu?“ beginne bereits eine Entindividualisierung, erläuterte die Referentin. Auf eine Gruppenzugehörigkeit reduziert zu werden, passiere ähnlich auch im Zusammenhang mit Herkunft oder anderen Merkmalen, die für die Sache eigentlich egal sein müssten. Das Konzept Intersektionalität habe die Geschlechterforschung verändert und vorangetrieben.
„Hochschulen sollen inklusive Organisationen sein“, unterstrich Andrea D. Bührmann. „Jedoch diskriminieren sie oft noch zum Beispiel auf Grund von Geschlechtszugehörigkeit, sozialem Hintergrund und ethnischer Herkunft.“ Das sei wegen der Rolle von Universitäten als „gatekeeper“ besonders problematisch. „Das Minimum für Hochschulen ist es, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.“ Darüber hinaus sollten sie eine Teilhabe für alle Angehörigen und Beschäftigten ermöglichen, indem sie beispielsweise wichtige Sitzungstermine nicht in Randzeiten legen. Noch besser sei es, wenn Hochschulen mit einer solchen Haltung in die Regionen hineinwirken würden.
Gäste aus allen Statusgruppen der Fakultät tauschten sich über mögliche Schritte aus, Barrieren abzubauen. Bei den „Brown Bag Meetings“ sind Angehörige aller Fachbereiche willkommen. Beim nächsten Termin am 29. November geht es um „Diversität und Missbrauch“. Referentin ist Prof. Dr. Ute Leimgruber von der Universität Regensburg. Am 16. Januar steht das Treffen mit Prof. Dr. Sabine Schäper von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen unter dem Titel „Dis/ability und Teilhabe“. Veranstaltungsort ist der Raum KThI an der Johannisstraße 8 – 10.
Die Veranstaltungsreihe hat den Diversity-Preis 2024 der Universität Münster erhalten. Vorbereitet werden die „Diversity Brown Bag Meetings“ von der Kommission für Gleichstellung und Diversity der Fakultät, besonders vom Mittelbau des Gremiums.
Autorin: Brigitte Heeke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 6. November 2024.