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Maurice Schiller (links) und Theresa Dissen (rechts) sitzen nebeneinander an einem Besprechungstisch im AStA-Häuschen.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Der aktuelle AStA-Vorsitz: Maurice Schiller (22) von der Juso-Hochschulgruppe und Theresa Dissen (21) von CampusGrün. Beide studieren den Bachelor-Studiengang „Politik und Recht“. Außerdem gehört seit kurzem Lisa-Nicole Bücker von CampusGrün zum Vorsitz.
© Uni MS - Linus Peikenkamp

„Mitbestimmung ist ein großes Privileg“

Maurice Schiller und Theresa Dissen über ihre Vorstandsarbeit im AStA

Der Allgemeine Studierendenausschuss, kurz AStA, ist die Interessenvertretung der Studierenden. Wie in den meisten deutschen Bundesländern wird er vom Studierendenparlament gewählt und ist ein selbstverwaltetes Gremium. 100 Meter Luftlinie links vom Schloss, im Kavaliershäuschen, hat der AStA seinen Sitz. Kathrin Kottke traf die Vorsitzenden Maurice Schiller und Theresa Dissen und sprach mit ihnen über Ziele, Herausforderungen und die Rolle des persönlichen Engagements in der studentischen Hochschulpolitik.

 

Sie sind im Oktober wieder in den Vorsitz gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch dazu. Was sind Ihre Ziele und Pläne für das kommende Jahr?

Maurice Schiller: Unsere Schwerpunkte umfassen unter anderem die Studienfinanzierung, die sozial-ökologische Transformation der Universität Münster sowie Angebote für Studierende mit Kind.

Theresa Dissen: Ein Dauerbrenner ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende. Gemeinsam mit der Hochschulleitung, dem Studierendenwerk und der Stadt wurde kürzlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um dieses Problem anzugehen.

Im Oktober gab es für Studierende die Möglichkeit, in einer Turnhalle zu übernachten. Ist das die Lösung?

Dissen: Nein, sicherlich soll und darf das keine dauerhafte Lösung sein. Das kurzfristige Notquartier hat sich an Erstsemester gerichtet, die noch keine Wohnung gefunden haben und trotzdem an der Orientierungswoche teilnehmen wollten. Über 50 Personen haben das Angebot wahrgenommen, und uns erreichten viele dankende E-Mails.

Die Turnhallenaktion hat in Münster und darüber hinaus für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Ist das in Ihrem Sinne?

Schiller: Ja, denn es ist wichtig, dass unsere Arbeit sichtbar wird. Einerseits, um Studierende auf Themen aufmerksam zu machen, andererseits, um politischen Druck aufzubauen und studentische Angelegenheiten in das öffentliche Interesse zu rücken. Das gilt für die Debatten rund um die Wohnungsnot, aber auch für viele andere.

Zum Beispiel?

Dissen: Es existieren immer noch diskriminierende Strukturen an der Universität. Daher haben wir uns vorgenommen, die Gleichstellung zu stärken und Diskriminierung zu reduzieren. Dabei nehmen wir ganz gezielt Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen in den Blick. Konkrete Maßnahmen sind etwa der Ausbau von Unisex-Toiletten oder die geschlechtergerechte Besetzung von Gremien.

Die studentische Wahlbeteiligung lag in diesem Jahr bei etwa 18 Prozent. Sehen Sie sich trotzdem als Vertretung der Studierendenschaft? Immerhin umfasst sie mehr als 40.000 Personen ...

Schiller: Bei den Wahlen 2024 ist die Beteiligung zwar gestiegen, aber es ist definitiv noch Luft nach oben – daran arbeiten wir kontinuierlich. Dennoch betrachten wir uns als Stimme der Studierendenschaft und tragen zur politischen Willensbildung bei, wie es im Hochschulgesetz NRW festgeschrieben ist.

Kann man es denn allen recht machen?

Dissen: Wir haben die Interessen der gesamten Studierendenschaft im Blick. Wohl wissend, dass man es nicht immer allen recht machen kann.

Warum nicht?

Dissen: Nur um ein Beispiel zu nennen: Im Oktober vergangenen Jahres hat die Mensa Bispinghof auf rein vegan-vegetarische Angebote umgestellt. Dafür haben wir uns lange eingesetzt und zusammen mit dem Studierendenwerk an dem Konzept gearbeitet. Viele haben sich gefreut, aber es gab auch zahlreiche Studierende, die uns Verbotspolitik vorgeworfen haben. Dabei ging es ja nur um eine Mensa und die teils zu hohen Preise liegen auch nicht am vegetarischen Angebot, sondern sind allgemein ein Problem.

Warum sollten sich Studierende für studentische Hochschulpolitik interessieren und im Idealfall auch engagieren?

Dissen: Viele Personen unterschätzen die Macht studentischer Mitbestimmung. Wir gestalten die universitäre Lehre und das Studium maßgeblich mit. Das kann auf verschiedenen Ebenen passieren – etwa im Studierendenparlament, in den Fachschaften oder im Senat. Es ist ein großes Privileg und unser Recht, dass Studierende heutzutage mitreden und mitbestimmen dürfen.

Schiller: Selbst wer sich nicht aktiv für hochschulpolitische Belange einbringen möchte, kann die AStA-Angebote nutzen, beispielsweise den Laptop- oder Bulliverleih oder die psychologische Beratung. Hier erhalten alle Studierenden bei Bedarf professionelle Unterstützung.

Welche Vorhaben sind Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Schiller: Der AStA hat viele Projekte auf den Weg gebracht und maßgeblich mitgestaltet. Wir haben mit den Fachschaften, der Stadt- und Universitätsverwaltung sowie verschiedenen städtischen Ämtern und Behörden den Leitfaden für ein gutes Miteinander während der Orientierungswoche erstellt. Ein weiteres Beispiel ist der Krisenfonds, eine finanzielle Unterstützung für Studierende, die unverschuldet in Not geraten sind. Zudem war die Umbenennung der Universität ein wichtiges Thema, das Studierende initiiert haben.

Wie wichtig ist es für Sie, Menschen konkret zu helfen und etwas zu bewirken?

Dissen: Wir arbeiten mit großer Leidenschaft an allen Themen. Am meisten freuen wir uns natürlich, wenn wir von den Studierenden direktes Feedback zu unseren Angeboten bekommen und sie von diesen profitiert haben. Das ist eine große Motivation für uns, denn wir machen all das ja nicht für uns, sondern für die Studierendenschaft

 

Historisch-Rechtliches

Studentische Hochschulpolitik ist eng mit dem Begriff der Studierendenschaft verknüpft. Bei ihr handelt es sich um die Gesamtheit aller an einer Hochschule eingeschriebenen Studierenden. Die verfasste Studierendenschaft ist eine solche, deren Bildung gesetzlich beziehungsweise durch eine Hochschulverfassung geregelt ist. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es die Idee, die (damals ausschließlich männlichen) Studenten in ihren diversen Verbindungen zusammenzufassen und zu repräsentieren. 1920 gründeten sich die ersten verfassten Studentenschaften im öffentlich-rechtlichen Sinne. Es folgten bewegte Zeiten der studentischen Selbstverwaltung und Organisation in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus; in den 1960er- und 70er-Jahren stand studentische Hochschulpolitik besonders im Fokus der (außer-)universitären Öffentlichkeit.

Dieser Artikel ist Teil einer Themenseite über studentische Hochschulpolitik und stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 6. November 2024.

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