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Münster (upm/anb).
Im Institut für Anorganische und Analytische Chemie werden Labore umgebaut und neu ausgerüstet – Lisa Thiesmann bespricht mit Michael Faust und Marvin Kraft (v. l.) die nächsten Bauschritte.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Im Institut für Anorganische und Analytische Chemie werden Labore umgebaut und neu ausgerüstet – Lisa Thiesmann bespricht mit Michael Faust und Marvin Kraft (v. l.) die nächsten Bauschritte.
© Uni MS - Johannes Wulf

Serie „Außeneinsatz“, Teil 7: Wer bauen will, muss vermitteln können

Lisa Thiesmann ist Projektkoordinatorin im Baudezernat

<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
© Uni MS - Linus Peikenkamp
Auch in den Semesterferien gibt es an der Universität Münster allerhand zu tun. Die Redakteurinnen und Redakteure der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nutzen die vorlesungsfreie Zeit, um das eigene Büro zu verlassen und im Außeneinsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität jeweils einen Tag lang zu begleiten, die buchstäblich unterwegs sind.

Der Sommer ist noch lange nicht vorbei, doch dieser Tag könnte in einigen Wochen als einer der heißesten des Jahres in die metereologischen Geschichtsbücher eingehen. Die Hoffnung, hitzefrei zu bekommen, dürfen sich aber nur Schülerinnen und Schüler machen. Normale Beschäftigte müssen sich mit der Hitze irgendwie arrangieren. Die einen stellen ihre Ventilatoren auf Maximalumdrehungen, andere dunkeln ihre Fenster ab, ein gefülltes Wasserglas steht fast auf jedem Schreibtisch immer in Reichweite. Das gilt auch für Lisa Thiesmann, die im Dezernat 7, in dem es ums Planen, Bauen und das strategische Flächenmanagment geht, arbeitet. Bisher hat die Architektin, die als Projektkoordinatorin in der Abteilung „Planen und Bauen“ angestellt ist, den Vormittag in ihrem Büro verbracht, das im Vergleich zur heißen Außenluft verhältnismäßig kühl wirkt. Doch auch Lisa Thiesmann wird heute noch ins Schwitzen kommen ...

Vor allem vom Büro aus koordiniert Lisa Thiesmann die Baumaßnahmen und bereitet hier die Ortsbesuche vor.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Vor allem vom Büro aus koordiniert Lisa Thiesmann die Baumaßnahmen und bereitet hier die Ortsbesuche vor.
© Uni MS - Johannes Wulf
Ihren Arbeitstag startet Lisa Thiesmann, die mit zwölf Kolleginnen und Kollegen (Neu-)Baumaßnahmen an der Universität koordiniert, zumeist in ihrem Büro im Johann-Krane-Weg. Zunächst prüft sie, wie wohl jeder Verwaltungsangestellte der Uni Münster, ihre E-Mails. Meist seien es zehn bis 15 Nachrichten, die es in der Früh zügig abzuarbeiten gilt. Die Absender sind vielfältig und veranschaulichen, mit wie vielen Akteuren sie täglich zu tun hat: Planer und Architekten, Nutzer von Gebäuden und Räumen, Kolleginnen und Kollegen aus dem Baucontrolling, dem Arbeits- und Umweltschutz, dem Brandschutz, Ingenieure aus dem Dezernat 4, Projektleiter vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes Nordrhein-Westfalen.

Bei Lisa Thiesmann laufen viele Fäden rund ums Bauen an der Universität zusammen. Bei den meisten Projekten ist der BLB Bauherr und Eigentümer. Lisa Thiesmann übernimmt deswegen die uniseitige Koordination großer Neubauten oder Sanierungen, etwa ein Anbau am Gebäude Geo 1 mit Lehrflächen für die Neuro- und Verhaltensbiologie und Landschaftsökologie und für das gesamte Institut der Planetologie. Auf dem Zettel ihrer Abteilung stehen auch der geplante Neubau der Physik, der Chemie oder der Hüffercampus an der Robert-Koch-Straße, auf dem die Universität den „Campus der Theologien und Religionswissenschaften“ errichtet.

Vieles in Lisa Thiesmanns Job dreht sich um Baupläne, die eine faszinierende Komplexität annehmen können.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Vieles in Lisa Thiesmanns Job dreht sich um Baupläne, die eine faszinierende Komplexität annehmen können.
© Uni MS - Johannes Wulf
Nicht selten vereinbaren künftige Professorinnen und Professoren in ihren Berufungsverhandlungen mit der Universität Um- oder Anbauten – oder die Nutzung von Laborflächen. Wie im Fall von Prof. Dr. Wolfgang Zeier beispielsweise, der im Institut für Anorganische und Analytische Chemie arbeitet. Nachdem eine Machbarkeitsstudie positiv ausgefallen war, stimmte Lisa Thiesmann mit ihm und seinem Arbeitskreis (AK) den konkreten Bedarf ab. Welche Ausstattung und Eigenschaften braucht der Raum in der Corrensstraße, um die bestmögliche Forschung zu ermöglichen? Mit den Ergebnissen im Gepäck setzte sich Lisa Thiesmann schließlich mit dem BLB an einen Tisch. Bis zum Umbau folgt die Phase der Phasen, präziser der „Leistungsphasen“, wie Lisa Thiesmann sie nennt – die Entwurfs- und die Genehmigungsphase, die Ausführungsplanung und die Bauausführung.

Viele der Schritte finden auf dem Papier, per E-Mail oder per Zoom statt. „Vor allem durch Corona hat die Nutzung von Zoom sehr zugenommen“, erklärt Lisa Thiesmann. „Das hat sich inzwischen etabliert und bringt einige Vorteile mit sich: Nicht nur wir sparen uns Wege, sondern auch die Planer oder Architekten, die etwa in Düsseldorf oder Köln sitzen.“ Von Vorteil sei auch, dass jeder seinen eigenen Bildschirm vor sich und so einen unverstellten Blick auf die Pläne habe. „Teilweise zeichnen die Planer während der Besprechung am Bildschirm mit, und wir können die Änderungen live mitverfolgen und kommentieren“, berichtet die Architektin.

Doch auch der Kontakt vor Ort sei wichtig. Also macht sich Lisa Thiesmann – Hitze hin, Hitze her – an diesem Tag auf ins Institut in der Corrensstraße, wo sie Dr. Marvin Kraft aus dem AK Zeier und den Kustos Dr. Michael Faust trifft. Jetzt wird es erneut konkret, jetzt geht es darum, was auf den Laborflächen im Untergeschoss und im zweiten Stock in den kommenden Monaten passieren soll. Eine besondere und gewichtige Herausforderung stellt das „Röntgenphotoelektronenspektrometer“ dar. Einfach durch den Hausflug ins Labor tragen – das funktioniert in diesem Fall nicht. Dafür muss im Obergeschoss sogar die Fassade geöffnet werden.

Die Masse des Geräts, mit dem die AG die Energie von Elektronen misst und so beispielsweise einen Beitrag zur Entwicklung effizienterer und sicherer Batteriematerialien liefern möchte, zieht statische Berechnungen nach sich. Zu den weiteren Bauabschnitten zählt die Installation einer Schleuse am Laboreingang und einer besonderen Klimaanlage. Nur so ist es möglich, ein Präzisionsklima zu erzeugen und zu erhalten. Im Untergeschoss entsteht eine weitere Laborfläche für ein Rasterelektronenmikroskop. Der Ort ist entscheidend, da das Gerät schwingungsfrei arbeiten muss. Eine „baudynamische Untersuchung“ ergab, dass neben den Erd- und Gebäudebewegungen selbst akustische Schwingungen reduziert werden müssen. Wer Lisa Thiesmann und den Experten vom Institut zuhört, der bekommt hautnah einen Eindruck davon, wie komplex der Job der Architektin ist. Denn all die Anforderungen müssen nicht nur erfasst und bedacht werden; bei jeder Entscheidung gilt es, die Folgen beziehungsweise die „Nebenwirkungen“ zu berücksichtigen.

Es würde zu kurz greifen, würde man Lisa Thiesmann „nur“ als Architektin und Projektkoordinatorin wahrnehmen. Sie ist auch, möglicherweise sogar vor allem eine Vermittlerin. Dabei scheint sie großes Verständnis für verschiedene Belange zu haben. „Jeder von uns hat seine eigenen Perspektiven und Bedürfnisse“, erklärt sie. Ihr Verständnis hält Lisa Thiesmann aber nicht davon ab, Konflikte auszuhalten und Interessen zu wahren oder durchzusetzen: die ihrer eigenen Abteilung, die der Universität, vor allem aber die des Nutzers. „Der Nutzer steht über allem“, sagt sie.

Viel fehlt nicht mehr: Lisa Thiesmann und Alexander Fuhrich besichtigen die Baustelle im CeNTech.<address>© Uni MS – Johannes Wulf</address>
Viel fehlt nicht mehr: Lisa Thiesmann und Alexander Fuhrich besichtigen die Baustelle im CeNTech.
© Uni MS – Johannes Wulf
Lisa Thiesmann, seit 2012 an der Universität Münster beschäftigt, sucht sich bewusst die besonders herausfordernden Projekte am naturwissenschaftlichen Zentrum aus. Was sie daran reizt, ist die Komplexität. Der nächste Termin unterstreicht, wie herausfordernd es dabei mitunter zugeht. Dafür geht es zu Fuß vom Chemiegebäude rüber ins Center for Nanotechnology (CeNTech) in der Heisenbergstraße. Mit Dr. Alexander Fuhrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Salinga am Institut für Materialphysik, besichtigt sie eine weitere Baustelle. Anders als die Baustelle in der Chemie, handelt es sich beim Projekt im CeNTech um eine sogenannte Eigenbaumaßnahme, bei der die Universität Münster die Hoheit über die Planung und Ausführung hat. „Bei diesem Projekt gibt es eine enge Zusammenarbeit mit einem externen Ingenieurbüro der technischen Gebäudeausrüstung und den Versorgungs- sowie Elektroingenieuren der Uni. Das funktioniert ausgezeichnet“, erklärt Lisa Thiesmann.

Alexander Fuhrich und Lisa Thiesmann begutachten die Abluftrohre, die giftige Gase aus dem Fertigungslabor im CeNTech ableiten sollen.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Alexander Fuhrich und Lisa Thiesmann begutachten die Abluftrohre, die giftige Gase aus dem Fertigungslabor im CeNTech ableiten sollen.
© Uni MS - Johannes Wulf
Im CeNTech entsteht ein Fabrikationslabor, in dem Proben hergestellt werden sollen, die in einem anderen Labor optisch mittels Laser und elektrisch untersucht werden. Ziel ist es, beispielsweise neuartige Computerchips zu entwickeln. „Das Labor weist die höchste Ausbaustufe auf, mehr Technik geht nicht“, betont Lisa Thiesmann mit Blick auf die zu 75 Prozent fertiggestellte Baustelle. Das Fabrikationslabor besteht aus einer Ultrahochvakuumanlage zur Herstellung äußerst dünner Schichten und weiteren Geräten, etwa zur Nanostrukturierung. Lisa Thiesmann interessiert sich während dieses Termins aber besonders für die Abluftanlage im und am Labor. Denn von außen sind zwei Rohre zu sehen, die an die bestehende Fassade angebracht worden sind. Sie münden im Labor und sollen die Prozessabluft, die beim Gebrauch einer „Atomic-Layer-Etching“-Anlage, einer Plasmaätzanlage, entsteht, separat über das Dach ableiten. Um zu verhindern, dass toxische Gase austreten können, werden spezielle doppelwandige Gasleitungen verbaut. Für den sicheren Betrieb überwachen außerdem Gassensoren das Labor. Hinzu kommen Filter, die die Luft auf dem Weg aus dem Labor reinigen. „Die Einrichtung und der Betrieb der Anlage sind so besonders, dass nicht nur die Stabsstelle Arbeits- und Umweltschutz involviert ist, sondern auch die Bezirksregierung und externe Sicherheitsexperten“, erklärt Lisa Thiesmann. Weitere Akteure also, die sie an einen Tisch bringen und bei der Planung und Umsetzung des Baus berücksichtigen muss.

Lisa Thiesmann mag ihren Job. Sie mag den Umgang mit Menschen und begeistert sich für die technischen Aspekte ihres Berufs. „Es ist spannend, Einblicke in die Wissenschaft zu bekommen. Mir ist es wichtig, dass ich Forschung und Lehre mit meiner Arbeit an der Universität Münster ermögliche“, unterstreicht sie und macht sich an diesem heißen Tag mit dem Rad zurück in Richtung Büro auf, wo die Koordinierung der vielfältigen Baustellen weitergeht.

Autor: André Bednarz

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