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Münster (upm/ap).
In der Antike wurde das Essen meist auf Liegen, sogenannten Klinen, eingenommen und musikalisch begleitet, wie diese Darstellung auf einem Athener Gefäß von ca. 430 v. Chr. zeigt.<address>© München, Staatliche Antikensammlungen (Wikimedia, gemeinfrei)</address>
In der Antike wurde das Essen meist auf Liegen, sogenannten Klinen, eingenommen und musikalisch begleitet, wie diese Darstellung auf einem Athener Gefäß von ca. 430 v. Chr. zeigt.
© München, Staatliche Antikensammlungen (Wikimedia, gemeinfrei)

„Für die Römer galt unverdünnter Wein als unzivilisiert“

Die Althistorikerin Eva Baumkamp erforscht antike Esskulturen

Laut der Studie „So is(s)t Deutschland 2024“ finden mehr als die Hälfte der Befragten, Ernährung sei anstrengend geworden, weil man auf so vieles achten müsse wie beispielsweise auf den Zucker- und Salzgehalt oder die Klimabilanz des Essens. Ist diese besondere Achtsamkeit typisch für die Moderne, oder war dies unter anderen Vorzeichen schon immer so?  Wie haben sich die Menschen in früheren Zeiten ernährt? Und worauf haben sie dabei geachtet? Im Interview mit Anke Poppen berichtet die Althistorikerin Dr. Eva Baumkamp, die an der Universität Münster zu antiker Esskultur lehrt und forscht, was im alten Rom und Griechenland auf dem Speiseplan stand und welche soziale Bedeutung das gemeinsame Essen hatte.

Blättern Sie für die Erforschung antiker Esskultur beispielsweise in alten Rezeptbüchern?

Ich beschäftige mich vor allem mit einem auf Latein verfassten Lehrbrief von Anthimus, einem Gesandten am Hof des Theuderich I. aus dem griechischen Osten des frühen sechsten Jahrhunderts nach Christus. Tatsächlich enthält der Text auch einige Rezepte, etwa für gesottenes Kuhfleisch. Vor allem aber gibt Anthimus Empfehlungen für gesundes Essen: Speisen sollten möglichst gekocht und Getränke erwärmt werden. Fermentierte Lebensmittel und roher Schinken führen seiner Meinung nach zu Magenbeschwerden.

Sie wurden aber trotzdem verzehrt, oder?

Ja, der Autor wundert sich darüber, dass die Franken rohen Schinken vertragen. Er vermutet eine andere Konstitution als bei den Römern und Griechen. Der Text zeigt damit auch kulturelle Unterschiede in den Essgewohnheiten auf.

Portraitfoto Dr. Eva Baumkamp<address>© privat</address>
Dr. Eva Baumkamp
© privat

Was haben unsere antiken Vorfahren denn zu sich genommen?

In erster Linie deckten Getreide, oft in Form von Brei und Brot, Olivenöl sowie Trauben und Wein den Kalorienbedarf. Ergänzt wurde die Ernährung durch Obst und Gemüse wie Kohl, Zwiebeln, Pilze oder Hülsenfrüchte. In der griechisch-römischen Antike war Wein ein beliebtes Getränk, in der Regel mit Wasser verdünnt. Unverdünnter Wein galt als unzivilisiert.

Fleisch spielte also eher eine kleine Rolle?

Im klassischen Griechenland war der Verzehr von Fleisch eng mit der Schlachtung von Opfertieren verknüpft. In der römischen Antike nahm der Fleischkonsum deutlich zu, jedenfalls in einkommensstarken Haushalten. Schweine wurden auch damals schon speziell für den Fleischkonsum gezüchtet. Auch Fische, Meeresfrüchte und Geflügel gehörten zur antiken Ernährung. Die Römer hatten eine besondere Vorliebe für Austern, die sie sogar in eigenen Austernparks züchteten.

Gibt es ursprünglich antike Speise, die auch heute noch verzehrt werden?

Fermentierte Fischsauce, die wir heute vor allem als Würzmittel aus der asiatischen Küche kennen, hat unter dem Namen garum schon den Römern geschmeckt. Frischmilch stand eher selten auf dem Speiseplan, und wenn, dann eher von Schafen oder Ziegen. Obstsorten wie Äpfel, Feigen, Quitten oder Granatäpfel waren bereits in der griechischen Antike verbreitet, erst ab dem Römischen Reich wurden Kirschen und Pfirsiche populär.

Gab es auch beliebte Gerichte, bei denen uns nicht mehr das Wasser im Munde zusammenlaufen würde?

Esskulturen sind stets kulturell geprägt. Aus europäischer Perspektive gilt die Gebärmutter von Schweinen für die meisten von uns inzwischen sicher nicht mehr als Delikatesse.

Essen ist ja mehr als reine Nahrungsaufnahme. Welche Funktion hatte ein gemeinsames Mahl in der Antike?

Ähnlich wie heute förderte und festigte es die sozialen Beziehungen – damals in erster Linie zwischen Männern. Im antiken Sparta war die Teilnahme an Mahlgemeinschaften, den sogenannten syssitia, Voraussetzung für den Status des Vollbürgers. In Athen wurden Männer zum symposion in Privathäusern eingeladen, Ehefrauen waren unerwünscht. Das gemeinsame Essen und anschließende Trinken wurden klar voneinander getrennt, das Weintrinken folgte eigenen Ritualen und Regeln. Am convivium, dem römischen Gastmahl, nahmen hingegen auch Ehefrauen teil. Hochwertige Lebensmittel und exklusives Geschirr stellten den Reichtum der Gastgeber der Oberschicht aus.

Letzteres ist ja bei heutigen Dinnerpartys auch oft der Fall …

Ja, allerdings haben reiche Römer die Speisen nicht selbst zubereitet und serviert. Kochen als Hobby ist in den antiken Quellen nach meiner Kenntnis nicht belegt. Dafür waren spezialisierte Sklaven zuständig, deren Tätigkeit zunehmend als Kochkunst verstanden wurde.

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