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Münster (upm/lp).
Im Gewächshaus gießt Lorenz Vienenkötter die Pflanzen mit gespeichertem Regenwasser.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Im Gewächshaus gießt Lorenz Vienenkötter die Pflanzen mit gespeichertem Regenwasser.
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Lernen und arbeiten im schönsten Büro der Universität

Teil 3: Lorenz Vienenkötter ist Auszubildender im Botanischen Garten

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Auch in den Semesterferien gibt es an der Universität Münster allerhand zu tun. Die Redakteurinnen und Redakteure der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nutzen die vorlesungsfreie Zeit, um das eigene Büro zu verlassen und im Außeneinsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität jeweils einen Tag lang zu begleiten, die buchstäblich unterwegs sind.

Genau 7.30 Uhr zeigt die Uhr, als Lorenz Vienenkötter durch das Eisentor in den Botanischen Garten kommt. Entlang des Hauptwegs geht er zwischen Pavillons, Gewächshäusern und mehreren Pflanzenbeeten in Richtung Gemeinschaftshaus, um sich für seinen Arbeitstag zu rüsten. Zahlreiche Vögel zwitschern ihre Morgenlieder, überall riecht es nach frischer Blumenerde. Knapp 20 Grad zeigt das Thermometer an. „Perfektes Wetter, um draußen zu arbeiten“, findet Lorenz Vienenkötter. Als einer von vier Auszubildenden pflegt er die vielfältige Flora des Botanischen Gartens der Universität Münster. Dazu gehören neben Hochgebirgs- auch tropische und mediterrane Pflanzen sowie ein Riech- und Tastgarten. Nachdem er mit Gärtner- und Lehrlingsmeister Matthias Evels den Aufgabenplan für die Woche besprochen hat, gönnt er sich ein schnelles Frühstück, und schon geht es an die Arbeit.

Bevor der Auszubildende die Pflanzen ins Beet setzt, beschriftet er kleine Schilder mit dem lateinischen und deutschen Pflanzennamen.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Bevor der Auszubildende die Pflanzen ins Beet setzt, beschriftet er kleine Schilder mit dem lateinischen und deutschen Pflanzennamen.
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Heute steht die Pflege des Westfälischen Bauerngartens an. Doch bevor wir dorthin gehen, macht Lorenz Vienenkötter einen Abstecher zum Gewächshaus, wo bereits eine Palette mit vorgezogenem Mangold bereitsteht. Er nimmt einen Schlauch, der an ein Regenwasserbecken in der Mitte des Gewächshauses angeschlossen ist. „Oft reicht das Regenwasser aus, um die Pflanzen im Gewächshaus zu gießen“, erklärt Lorenz Vienenkötter. Zudem messe die Technik des Glashauses Außentemperatur und Sonnenstand und passe Innentemperatur und Sonnenschutz daran an. „Innen herrschen somit permanent dieselben Bedingungen. Das Haus ist wie ein eigener Organismus“, beschreibt der Auszubildende.

Schon früh war sich Lorenz Vienenkötter sicher, dass es beruflich in die handwerkliche Richtung gehen soll. „Zunächst habe ich an eine Ausbildung zum Schreiner gedacht“, erinnert er sich. Als er unmittelbar nach seinem Praktikum im Botanischen Garten vor drei Jahren ein Angebot für einen Ausbildungsplatz zum Gärtner im Bereich Zierpflanzenbau ab August 2023 bekam, wusste er sofort: Das ist es. Während der ersten zwei Lehrjahre kümmert er sich um das Freiland, anschließend geht es in die Pflanzenhäuser.

Vom Gewächshaus machen wir uns auf den Weg zum Bauerngarten. Auf halbem Weg bleiben wir an einer ungefähr drei Meter hohen Palme stehen. „Butia capitata“ steht auf einem kleinen Schild in der Erde. Der deutsche Begriff „Geleepalme“ gibt Aufschluss über die Funktion der Nutzpflanze: Tatsächlich lassen sich aus den pflaumengroßen Früchten Gelees und Marmeladen herstellen. Die fertigen Süßspeisen bleiben entweder in der Belegschaft, oder sie werden geladenen Gästen als Mitbringsel mitgegeben.

Entlang einer Schnur, parallel zu den anderen Pflanzenreihen, setzt Lorenz Vienenkötter den Mangold ein.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Entlang einer Schnur, parallel zu den anderen Pflanzenreihen, setzt Lorenz Vienenkötter den Mangold ein.
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Der Westfälische Bauerngarten ist in sechs Beete unterteilt; hier wachsen verschiedene Kohlsorten, Mairüben, Radieschen und vieles mehr. Lorenz Vienenkötter trägt viel Verantwortung für dieses Areal. „Es ist mein Herzensprojekt, manchmal träume ich sogar vom Bauerngarten“, erzählt der 19-Jährige, während wir durch ein kleines Holztor hineingehen. Jede Woche verbringt er hier mehrere Stunden, um die Pflanzen zu säen, pflegen oder zu ernten. Insbesondere an Freitagen, wenn viele Menschen bereits frei haben und den Garten besuchen, arbeitet Lorenz Vienenkötter hier keine zehn Minuten, ohne von Gästen angesprochen zu werden. „Häufig loben die Besucher, wie gut die Pflanzen wachsen und holen sich Ratschläge für ihre privaten Gärten ab“, berichtet er. Apropos Besucher: Etwa 200.000 Menschen besichtigen jährlich den Botanischen Garten. Manche von ihnen nehmen an einer der rund 230 Führungen im Jahr teil, die von Mitarbeitenden des Botanischen Gartens oder der Universität geleitet werden. Auch Lorenz Vienenkötter durfte bereits eine Gruppe durch den fünf Hektar großen Garten führen. „Es gibt kaum etwas Schöneres, als interessierten Gästen seine Leidenschaft zu vermitteln“, betont der Auszubildende.

Zurück zum Bauerngarten: Mit einer Harke in der Hand tritt Lorenz Vienenkötter vorsichtig auf eine freie Stelle im Beet und lockert die Erde auf. Dadurch wird der Boden durchlässiger, erklärt er, zudem verdunstet weniger Wasser. „Es hat aber auch ästhetische Gründe“, betont der Auszubildende. „Geharkte Erde sieht einfach schöner aus.“ Als er fertig ist, legt er die Harke ab und nimmt stattdessen eine lange, blaue Schnur, die er quer über die freie Fläche im Beet wirft. Er begradigt die Schnur und befestigt sie an beiden Enden. Sie dient dazu, die Pflanzenreihe möglichst parallel zu den anderen Reihen auszurichten. Ebenfalls Ästhetik. Mit zwei Fingern bohrt der Azubi entlang der Schnur Löcher in den Boden und setzt den frischen Mangold hinein. „Er ist leider nicht so fit, wie ich ihn gerne hätte“, sagt er und deutet auf das Nachbarbeet, wo eine weitere Sorte Mangold bereits auf gut 30 Zentimeter herangewachsen ist.

Kurz darauf klingelt das Handy – Gärtnermeister Matthias Evels ruft an. „Zum Buchs? Ich komme“, sagt der Lehrling und legt auf. Raus aus dem Bauerngarten gehen wir vorbei am Salbeibeet, dem „Lieblingsbeet“ von Lorenz Vienenkötter, zum großen Buchsbaum hinter dem Kaphaus. Er hat bereits über 200 Jahre auf dem Buckel und ist damit der älteste Baum des Gartens. Von einem Buchsbaum ist jedoch nicht viel zu erkennen – der Baum ist überwuchert mit einer hellgrünen Rankpflanze, der kanadischen Mondsaat, die entfernt werden soll. Ein bekanntes Problem: Ungefähr zwei Mal im Jahr müsse man sich um die Wucherpflanzen kümmern, meint Matthias Evels.

Auf einer Hebebühne entfernt der Gärtner den Buchsbaumbefall.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Auf einer Hebebühne entfernt der Gärtner den Buchsbaumbefall.
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Als Auszubildende Clara Schwiddessen mit einer Hebebühne vorfährt und Lorenz Vienenkötter zwei, drei Meter nach oben befördert, um den Befall zu entfernen, setzt Regen ein. Eine Schulklasse, die gerade an einer Führung teilnimmt, sucht Zuflucht unter einem Dach. Den Mitarbeitern hingegen scheint das schlechte Wetter kaum etwas auszumachen – man merkt, dass sie häufiger unter wechselhaften Bedingungen arbeiten. Kurz die Regenjacke überziehen, weiter geht’s. Mit einem langen Dreizack versucht Lorenz Vienenkötter, den Pflanzenbefall aus dem Buchsbaum zu reißen. „Es fühlt sich falsch an, so mit einer Pflanze umzugehen, die über 180 Jahre älter ist als man selbst“, meint der Azubi.

Ein schweres Unterfangen: Im Tropenhaus topft Lorenz Vienenkötter mit seinem Kollegen eine Palme um.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Ein schweres Unterfangen: Im Tropenhaus topft Lorenz Vienenkötter mit seinem Kollegen eine Palme um.
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Nach der Mittagspause geht es ans Umtopfen. Einige Bäume im Tropenhaus sind zu groß für ihren Topf, was deren Wurzelwachstum verhindert. Mit seinem Kollegen Conrad Cramer, der sich hauptsächlich um das Epiphyten- und Tropenhaus kümmert, versucht Lorenz Vienenkötter, einen Baum aus dem Topf zu ziehen. Kein leichtes Unterfangen, schließlich muss der fast vier Meter große Baum quer auf eine Erhöhung gelegt und von einer Person festgehalten werden. Nach einigem Ruckeln und Zurren weiß sich der Auszubildende mit einem Backstein zu helfen, mit dem er sieben, acht Mal auf den Plastiktopf einschlägt, ehe er sich langsam vom Baum löst. In den neuen, größeren Topf füllen die Gärtner zunächst Terrakotta-Scherben als Drainageschicht, darüber kommt etwas Erde. Mit vereinten Kräften hieven die Beiden den schweren Baum in den neuen Topf. Dasselbe Procedere folgt mit weiteren Pflanzen. Doch erst einmal durchatmen – die warme, feuchte Luft im Tropenhaus macht die Arbeit nicht einfacher. „Aber man gewöhnt sich dran“, sagt der Auszubildende.

Um 16.30 Uhr verabschiedet sich Lorenz Vienenkötter von seinen Kollegen. Feierabend. Doch nach der Gartenarbeit ist vor der Gartenarbeit: In Gievenbeck hat er eine kleine Gartenfläche gemietet, wo er ebenfalls verschiedene Gemüse- und Pflanzensorten hegt und pflegt. „Mein zweites Zuhause“, betont Lorenz Vienenkötter. Und sein erstes? „Auf jeden Fall der Botanische Garten.“

Autor: Linus Peikenkamp

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