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Münster (upm).
Schloss, Münster<address>© Uni MS - Alice Büsch</address>
Schloss, Münster
© Uni MS - Alice Büsch

"Jahresabschluss ist nur auf den ersten Blick positiv - operatives Ergebnis zeigt defizitäre Gesamtsituation"

Kanzler Matthias Schwarte über die aktuelle Finanzlage der Universität

Nach dem universitätsweiten Spar-Appell Anfang des Jahres haben viele Beobachter mit Interesse auf den Jahresabschluss 2023 der Universität gewartet. Der fällt nun ausgesprochen positiv aus: Woran liegt das?

Der Jahresabschluss fällt nur auf den ersten Blick positiv aus, da wir einer speziellen Buchungssystematik unterliegen, die ein rein buchhalterisches positives Ergebnis ergibt. Für uns ist jedoch das ,bereinigte Jahresergebnis‘ beziehungsweise operative Geschäftsergebnis maßgeblich, das wir mit einem Minus von rund 2,5 Millionen Euro abgeschlossen haben. Das Defizit hält sich allein deswegen in Grenzen, weil wir 2023 von Sondertöpfen und von Preisbremsen profitiert haben. Zudem haben wir den geplanten Abbau der Budgetüberhänge nicht realisiert, auch dies trägt zu einem moderateren Defizit bei. Unsere Erwartung, dass 2023 aufgrund der vielen zusätzlich bereitgestellten Kompensationsmittel von Land und Bund – Stichwort Strompreisbremse – stabil verlaufen werde, hat sich somit erfüllt. Diese Ausgangslage sieht für 2024 allerdings vollkommen anders aus.

Die Rücklagen muss die Universität also noch nicht „anzapfen“?

Doch. Denn zum ersten Mal seit Einführung der kaufmännischen Betrachtungsweise hat das Bilanzergebnis nicht ausgereicht, um aus dem Jahresergebnis alle erforderlichen Rücklagen in voller Höhe zu bilden. Deswegen hat der Hochschulrat erstmals zugestimmt, dass wir rund 4,6 Millionen Euro aus der freien Rücklage entnehmen, um die im Jahr 2023 ausgesprochenen Berufungs- und Bleibezusagen erfüllen zu können. Mit anderen Worten: Wir mussten an unsere Rücklagen herangehen, um unseren Verpflichtungen nachkommen zu können. Der Jahresabschluss 2023 zeigt damit deutlich die sich abzeichnende Verschlechterung der finanziellen Gesamtsituation auf.

Wenn 2023 noch einigermaßen stabil verlaufen ist, warum könnte sich das im laufenden Jahr, also unmittelbar danach ändern?

Wir haben im vergangenen Jahr von verschiedenen Zuschüssen profitiert, beispielsweise von der Strompreisbremse des Bundes. Zudem haben wir durch gemeinsame Anstrengungen unseren Energieverbrauch drastisch reduziert. So gesehen, war es ein herausforderndes, aber auch ein gutes Jahr. In diesem Jahr haben wir eine andere Ausgangslage. Wir müssen beispielsweise mit erheblichen Preissteigerungen für Energie und Dienstleistungen rechnen, nicht zuletzt wegen der hohen Tarifabschlüsse in vielen Branchen. Wir profitieren auch nicht mehr von günstigen Altverträgen beim Energieeinkauf oder beim Bezug vieler Leistungen. Schließlich gibt es keine Ausgleichszahlungen oder Preisbremsen mehr, sodass alle Steigerungen voll auf die Universität durchschlagen.

Und deswegen haben Sie sofort reagiert?

Genau, und das war dringend notwendig. Wir haben bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans 2024 festgestellt, dass unsere Befürchtungen jetzt Realität werden. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass alle Bereiche der Universität rund 3,85 Prozent einsparen müssen. Einzelne Etats wurden sogar noch deutlicher gekürzt. Dies ist notwendig, damit wir 2024 ein vergleichbares Gesamtergebnis wie 2023 erzielen können und unsere Rücklagen nur moderat ,anzapfen‘ müssen. Die Zeit des selbstverständlichen Wachstums und der Finanzierung von zusätzlichen Maßnahmen aus der Universität ist vorbei. Wir müssen unsere Ausgaben noch kritischer als bisher prüfen. Wir müssen uns intensiv mit kurzfristigen Einsparungen sowie einer dauerhaften Haushaltskonsolidierung beschäftigen.

Das klingt danach, als ob der Haushalt beziehungsweise die Universitätsfinanzen aus den Fugen geraten sind …

Das wäre ein falscher Eindruck, denn aus den Fugen ist nichts geraten. Damit das auch so bleibt, müssen wir uns gewissenhaft mit der neuen Situation auseinandersetzen und sie vor allem akzeptieren. Wir hatten viele sehr gute Jahre, wir verfügen über Rücklagen und Budgetüberhänge, die wir nutzen können. Die Haushaltsjahre mit Überschüssen und Rücklagenaufbau sind allerdings vorbei. Wir können auch nicht mit zusätzlichen Einnahmen rechnen, denn alle öffentlichen Haushalte, sei es im Land Nordrhein-Westfalen, beim Bund oder bei den Förderinstitutionen, sind unter Druck. Eine weitere Neuentwicklung zeichnet sich bei den Studierendenzahlen ab: Anders als in den vergangenen Jahren müssen wir davon ausgehen, dass wir wie alle anderen Universitäten auch sinkende Studierendenzahlen haben werden, was sich ebenfalls negativ auf die Einnahmen auswirken kann.

Sie plädieren also für eine dauerhaft wirkende Neuorientierung?

Exakt. Die Ausgangslage ist eindeutig: Unser Haushalt ist erstens nicht ausgeglichen, und zweitens verbrauchen wir unsere Rücklagen, die natürlich endlich sind. Für die nächsten zwei Jahre werden wir notgedrungen mit allgemeinen Einsparauflagen agieren und unsere Rücklagen moderat verbrauchen. Unser mittelfristiges Ziel muss es sein, dauerhafte Veränderungen umzusetzen. Wenn wir das schaffen, können die globalen Kürzungen und ,Betriebskostenpauschalen‘ sukzessive zurückgenommen und der Verbrauch der Rücklagen vermieden werden. Unser Ziel ist ein wieder ausgeglichener Haushalt.

Wie wollen Sie dieses Ziel konkret erreichen?

Das Rektorat arbeitet aktuell an einem Entwurf eines Konsolidierungskonzeptes, das wir den Dekanen und Dekaninnen, dem Senat und dem Hochschulrat im Wintersemester 2024/2025 vorstellen wollen. Nach Verabschiedung dieses Konsolidierungskonzeptes werden die einzelnen Maßnahmen den Fachbereichen und zentralen Einrichtungen ab dem ersten Halbjahr 2025 als Rahmen dienen; für eine Fortschreibung der jeweiligen Struktur- und Entwicklungspläne. Vergleichbare Vorgaben und Konsolidierungsziele wird es auch für die Universitätsverwaltung geben, auch für diesen Bereich soll bis 2025 ein Umsetzungskonzept vorliegen. Im zweiten Halbjahr 2025 wird das Rektorat mit allen Einheiten konkrete Schritte vereinbaren.

Matthias Schwarte, Kanzler der Universität Münster<address>© Uni MS - Christoph Steinweg</address>
Matthias Schwarte, Kanzler der Universität Münster
© Uni MS - Christoph Steinweg
Was bedeutet das für jeden einzelnen Beschäftigten?

Auch die Universität bleibt von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen nicht verschont. Wir müssen deswegen diese neue Situation akzeptieren und lernen, damit umzugehen. Wir werden nicht umhinkommen, uns genau anzuschauen, was wir uns langfristig leisten können und wollen, ohne dabei unsere Innovationskraft zu verlieren. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir diese Situation gemeinsam meistern können. Genau das haben wir in der Vergangenheit schon des Öfteren bewiesen.

Interview: Norbert Robers