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Münster (upm/ap).
Klagt ein Kind über Schmerzen, prüft der Kinderarzt bei der Untersuchung zunächst organische Ursachen.<address>© New Africa - stock.adobe.com</address>
Klagt ein Kind über Schmerzen, prüft der Kinderarzt bei der Untersuchung zunächst organische Ursachen.
© New Africa - stock.adobe.com

„Bauch- oder Kopfweh kann viele Ursachen haben“

Oberärztin Martina Monninger über die Therapie von jungen Patienten

Die Diagnose und Behandlung von Schmerzen bei Kindern stellen Mediziner vor besondere Herausforderungen, vor allem, wenn die Patienten noch nicht sprechen können. Dr. Martina Monninger, Oberärztin des Bereichs Psychosomatik in der Abteilung Allgemeine Pädiatrie am Universitätsklinikum Münster (UKM), gibt im Interview mit Anke Poppen Einblicke in ihre Arbeit in der Schmerzambulanz.

 

Wie unterscheidet sich kindliches Schmerzempfinden von dem von Erwachsenen?

Das ist altersabhängig. Je älter die Kinder sind, desto mehr ähnelt sich das Empfinden dem von Erwachsenen. Jüngere Kinder klagen oft allgemein über Bauchschmerzen, die Ursache kann aber woanders liegen. Sie können den Schmerz häufig nicht gut verorten, insbesondere natürlich, wenn sie noch nicht sprechen können.

Apropos: Wie gehen Eltern am besten damit um, wenn ihr Kind noch nicht artikulieren kann, was ihm weh tut?

Eltern lernen, das Weinen ihres Kindes zu deuten und werden gute Beobachter. Wenn das Kind anders schreit als bei Hunger oder Müdigkeit und es sich mit den üblichen Maßnahmen nicht beruhigen lässt, ist das ein Alarmsignal – manchmal auch, wenn es sich ungewöhnlich still verhält. Dann sollten sie sicherheitshalber zum Kinderarzt.

Dr. Martina Monninger ist Oberärztin des Bereichs Psychosomatik in der Abteilung Allgemeine Pädiatrie am UKM.<address>© UKM - Deiters</address>
Dr. Martina Monninger ist Oberärztin des Bereichs Psychosomatik in der Abteilung Allgemeine Pädiatrie am UKM.
© UKM - Deiters

Was sind typische Schmerzerfahrungen im Kindesalter, und wie verbreitet sind sie?

Von chronischen Schmerzen sprechen wir, wenn die Beschwerden mindestens einmal pro Woche auftreten und über drei Monate andauern. In den letzten Jahren beobachten wir einen Anstieg der Zahl durch chronischen Schmerz beeinträchtigter Kinder. Jugendliche beklagen eher Kopf-, kleinere Kinder vor allem Bauchschmerzen. Gelenk- oder Rückenprobleme sind seltener. Vor allem Bauchschmerzen ohne organischen Befund können ein Zeichen für eine Befindlichkeitsstörung sein, zum Beispiel Mobbing oder Überforderung in der Schule oder Probleme in der Familie. Dies kann auch bei Kopfschmerzen der Fall sein.

Wie gehen Sie bei der Diagnose vor?

Wir arbeiten mit dem bio-psycho-sozialen Modell: Zunächst prüfen wir organische Ursachen. Wenn diese ausgeschlossen sind, testen wir zum Beispiel, ob das Kind kognitiv fit genug ist, wenn es sich schulisch überfordert fühlt, und nehmen sein soziales Umfeld in den Blick. Hinter dem Konzept steht die Annahme, dass Schmerzen viele Ursachen haben können. Die Grenzen zwischen körperlichen Beschwerden und sonstigen Problemen sind nicht immer trennscharf. Dies ist auch für Eltern wichtig zu wissen: Auch wenn es keinen organischen Befund geben sollte, hat das Kind trotzdem reale Beschwerden, die ernst genommen werden müssen.

Wie behandeln Sie Ihre jungen Patientinnen und Patienten?

Bei akutem Schmerz wie etwa nach einem Knochenbruch führen Schonen und Ausruhen zur Heilung. Bei chronischen Schmerzen ist es anders. Dann liegt der Fokus darauf, einen Umgang damit zu finden und in Bewegung zu bleiben. Das ist vergleichbar mit der Behandlung von Erwachsenen. Bei Kindern kommt hinzu, dass Schmerzmittel bei chronischen Erkrankungen, außer bei Migräne, weniger wirksam sind. Umso entscheidender ist die Aktivierung. In diesen Fällen ist eine multimodale Therapie sinnvoll, bei der verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten: kinderärztliche Behandlung, Physio- und Psychotherapie, eventuell auch Musik- oder Kunsttherapie.

Was können Eltern tun, um ihr Kind zu unterstützen?

Eltern chronisch kranker Kinder raten wir, die Aktivität ihres Kindes zu fördern, etwa bei Bauchschmerzen aufgrund von schulischen Problemen. Wenn das Kind länger nicht zur Schule geht, wird die Hemmschwelle immer größer und die Schwierigkeiten verfestigen sich. Die Familien sollten sich von Fachpersonal beraten lassen, das einen Plan entwickelt, wie das Kind am besten unterstützt und aktiviert werden kann.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 8. Mai 2024.

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