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Münster (upm/nor)
Symbolbild: austrocknender Fluss<address>© unsplash - Simon Hurry</address>
Symbolbild: austrocknender Fluss
© unsplash - Simon Hurry

Wenn Wasser zur Waffe wird

Die Zahl der Konflikte um die "Quelle des Lebens" nimmt stetig zu

Die gute Nachricht vorweg: Die Prophezeiung des ehemaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali, der 1985 davor warnte, dass „die Kriege der Zukunft um Wasser geführt“ würden, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Das ist allerdings kein Grund zum Aufatmen, denn weltweit nehmen die Spannungen um die „Quelle des Lebens“ zu – nicht zuletzt deswegen rufen die Vereinten Nationen seit 1992 alljährlich zum „Weltwassertag“ auf. „Die Zahl der Konflikte, die mit Wassernutzung im Zusammenhang stehen, hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt“, betont Prof. Dr. Doris Fuchs vom Institut für Politikwissenschaft der WWU. Parallel dazu steigt die Wasserknappheit, was die Gefahr von Auseinandersetzungen erhöhe. Schätzungen zufolge könnten bis zum Jahr 2050 bis zu fünf Milliarden Menschen von Wassermangel betroffen sein. Weltweit leben derzeit mehr als zwei Milliarden Menschen in Staaten, die „unter starkem Wasserstress“ leiden, vier Milliarden leiden an mindestens 30 Tagen im Jahr unter schwerer Wasserknappheit.

Probleme treten vor allem dann auf, wenn große Ströme oder wichtige Grundwasserleiter Grenzen überschreiten – weltweit fließen 261 Flüsse durch mindestens zwei Länder. In Afrika und Asien, berichtet Doris Fuchs, sind 80 Prozent der Staaten abhängig von stromaufwärts gelegenen Ländern. Infolgedessen gibt es eine Reihe von „Bedrohungsmultiplikatoren“, wie sie Charles Iceland, Projektleiter am „World Resources Institute“ in Washington bezeichnet: Wassermangel, verunreinigtes Wasser, Bau von gigantischen Staudämmen mit einhergehenden Naturzerstörungen und Umsiedlungen, mangelhaftes Management der Wasserressourcen.

Während sich also bislang das Risiko eines Wasserkriegs zwischen zwei oder mehreren Ländern als gering erwiesen hat, kommt es immer öfter zu innerstaatlichen Konflikten. Zahlreiche Bauern in Syrien, in der Türkei und im Irak beispielsweise werden verdrängt, weil die Durchflussmenge zentraler Flüsse nach dem Bau von Staudämmen drastisch reduziert wurde. In Syrien kam es zwischen 2006 und 2009 als Folge einer Dürreperiode zu verstärkter Wüstenbildung und starken Migrationsbewegungen; in der irakischen Millionenstadt Basra mussten 2018 rund 120.000 Menschen in Krankenhäuser eingeliefert werden, weil sie dreckiges Wasser getrunken hatten; in den Bürgerkriegen im Irak und Syrien besetzten Militärs oder Milizen gezielt Wasserzugänge, um den Gegner zu schwächen. „Der überall steigende Bedarf trägt dazu bei, dass die Konkurrenz zwischen Stadt und Land, zwischen Staat und einzelnen Provinzen, zwischen ethnischen Gruppen und ökonomischen Interessen stetig zunimmt. Wasserbezogene Konflikte treten selten in einem politischen Vakuum auf, Wasser ist vielerorts ein Konfliktverstärker“, urteilt Dr. Christiane Fröhlich, die am Hamburger Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien arbeitet. Wasser werde immer öfter politisch instrumentalisiert und als „Waffe“ eingesetzt. „Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, wie Viehzüchter bäuerliche Gemeinschaften massakrierten und wie Bauerngemeinschaften Vergeltung übten“, ergänzt Charles Iceland.

Der entscheidende Engpass ist dabei die Trinkwassermenge. Zwar gibt es auf der Erde rund 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser, der Großteil fließt jedoch als Salzwasser in den Meeren und Ozeanen. Süßwasser macht mit etwa 35 Millionen Kubikkilometern nur 2,5 Prozent des globalen Wasservorkommens aus, wovon ein Großteil als Eis in den Gletschern der Arktis und Antarktis gebunden ist oder sich tief unter der Erde als Grundwasser befindet. Und der Verbrauch ist extrem ungleich: Während jeder Europäer durchschnittlich 190 Liter Wasser pro Tag nutzt, langt jeder US-Amerikaner gleich doppelt so viel zu – während jeder Bewohner südlich der Sahara nur acht bis 19 Liter pro Tag verbraucht.

Was tun? Wie kann man den Spannungen entgegenwirken? „Solide institutionelle Rahmenbedingen sind essenziell, beispielsweise eindeutige Regelungen und Nutzungsrechte auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene“, meint Doris Fuchs. Ebenso relevant sei der Austausch von Daten über Wasserressourcen, um eine bessere Planung der Wassernutzung zu ermöglichen. Christiane Fröhlich verweist darauf, dass Wasser auch Anreize für „den Aufbau dauerhafter Kooperationen und Frieden“ bieten könne – im Fachjargon „environmental peacebuilding“ genannt. Ein gutes Beispiel in einer extrem spannungsgeladenen Region sei das „Good Water Neighbours Project“ im Jordan-Becken: Elf palästinensische, neun israelische und acht jordanische Gemeinden entwickelten sich jeweils mit einer benachbarten Gemeinde aus einem anderen politischen Lager zu Partnern.

Terminhinweis:

Das Wissenschaftsfestival „Schlauraum Münster“ widmet sich in diesem Jahr dem Leitthema „Grund:Wasser“. Vom 18. bis 24. Juni werden die Hochschulen dem Element Wasser aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf den Grund gehen. An besonderen Orten am, im und auf dem Wasser, rund um Münster und mitten in der Stadt wird Wissenschaft unterhaltsam präsentiert und lädt zum Mitmachen ein.

Autor: Norbert Robers   

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 4. Mai 2022.

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