Junges Netzwerk erforscht alte Kulturen
Nachdem Prof. Dr. Angelika Lohwasser 2009 nach Münster berufen war, holte sie nach und nach alle archäologischen Professuren und Mitarbeiter der Universität an einen Tisch. Zwei Jahre später hatten die gemeinsamen Anliegen einen gemeinsamen Namen, und mittlerweile blicken die Akteure vom Netzwerk „Archäologie Diagonal“ auf zehn Jahre Zusammenarbeit zurück. Auf mehrere Kontinente führen ihre Forschungen: von Nordeuropa bis in die Sahara, von der iberischen Halbinsel bis nach Südasien. Über 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der WWU sind beteiligt, sie untersuchen einen Zeitraum von der Sesshaftwerdung des Menschen vor rund 12.000 Jahren bis ins Mittelalter. Innerhalb dieser großen inhaltlichen Bandbreite entstand ein reger Austausch, etwa über neue Techniken und Forschungsansätze. Aufmerksamkeit für die kleinen geisteswissenschaftlichen Fächer zu wecken, das gelingt mit den klassischen Ausstellungen oder Berichten über interessante Funde, aber auch mit neuen Formaten wie dem beliebten „Tag der Archäologien“ in Münster.
Studierende profitieren von Lehrveranstaltungen des Netzwerks in den Allgemeinen Studien. Im Sommersemester ging es dabei zum Beispiel um Archäometrie, also um naturwissenschaftliche Verfahren in der Archäologie. Neue Erkenntnisse diskutiert das Netzwerk regelmäßig mit Kollegen, Studierenden und Bürgern. Die Veranstaltungen waren vor Corona immer gut besucht, oft „extrem gut“, und nach dem Neustart Kultur rechnet die Ägyptologin wieder mit großem Zuspruch. „Die Rekonstruktion vergangener Lebenswelten interessiert die Menschen“, betont die Sprecherin des Netzwerks. „Bei uns kommt der Faktor Abenteuer hinzu, etwa wenn wir in entlegenen Gebieten graben, ohne Strom und Wasser.“ Die interkulturelle Kompetenz gebe durchaus Impulse, um aktuelle Herausforderungen zu verstehen, wie jüngst die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. „Dass es so kommen musste, war jedem klar, der die Geschichtsbücher aufschlägt. Man kann nicht mit unserer Vorstellung von einem Nationalstaat an andere gesellschaftliche Strukturen herangehen.“
An „Archäologie Diagonal“ sind heute zehn Institutionen beteiligt, von der Forschungsstelle Antike Numismatik über das Institut für Byzantinistik und Neogräzistik bis zum Institut für Interdisziplinäre Zypernstudien. „Die Forschungsstelle Asia Minor und meine Feldprojekte im Sudan haben zum Beispiel jeweils mit der Geoinformatik kooperiert“, berichtet Angelika Lohwasser. „Das Ergebnis von sogenannten Langstrecken-Surveys wurde visualisiert und gemeinsam veröffentlicht.“ Neben dem Forschungsoutput und der Werbung für ihre Fächer möchten die Beteiligten künftig auch gemeinsame Anträge für Verbundforschungsprojekte stellen. Denn Grabungen kosten viel Geld. „Allein die Fahrzeuge“, unterstreicht Angelika Lohwasser. „Wir sind da schließlich in der Wüste.“ Auch die Gebühren für die naturwissenschaftliche Forschung wie DNA-Analysen und Altersbestimmungen treiben die Kosten in die Höhe, vor allem im Vergleich mit anderen geisteswissenschaftlichen Projekten. Da liegt es nahe, die Anliegen gemeinsam einzureichen: „Im letzten Jahr hat die WWU unseren Antrag für ein 3-D-Labor bewilligt, seitdem sind wir da sehr aktiv.“
Alle Interessierten erhalten im Wintersemester einen Einblick in aktuelle Forschungen. Eine öffentliche Ringvorlesung des Netzwerks mit dem Titel „Den Blick weiten: Archäologie global“ führt zu Regionen, die ansonsten nicht im archäologischen Fokus der Universität Münster sind. Die Reihe findet montags von 18 bis 20 Uhr im Hörsaal F2 im Fürstenberghaus und parallel per Zoom statt. Den ersten Vortrag am 18. Oktober hält Dr. Gunvor Lindström. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin von der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts spricht über „Torbulok: ein Heiligtum im hellenistischen ‚Fernen Osten‘“.
Autorin: Brigitte Heeke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 6. Oktober 2021.