Rhetorische Analyse von Armin Laschets Sommerinterview: Mal sprachlich geschickt, mal unkonkret
In zwei Monaten entscheiden die deutschen Wählerinnen und Wähler über den 20. Deutschen Bundestag und damit auch über die Frage, wer Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel wird. Das "Centrum für Rhetorik, Kommunikation und Theaterpraxis" (CfR) der Universität Münster nimmt die heiße Phase des Wahlkampfs zum Anlass, die Interviews und Reden der Spitzenkandidaten wissenschaftlich zu untersuchen. Wer gibt die qualitativ besten Antworten? Wer strahlt Souveränität, Nervosität, Selbstsicherheit oder Überheblichkeit aus? Dr. Annette Lepschy vom CfR hat das ZDF-Sommerinterview (25. Juli) von Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU/CSU, analysiert:
Qualität der Antworten
Armin Laschet habe häufig "eine rhetorisch interessante Antwortform" gewählt: Auf vermeintlich heikle Fragen antwortete er bevorzugt entweder im Teilkonsens, aber unter Angabe von Bedingungen ("Ja, in Bezug auf… haben Sie Recht… allerdings nur dann, wenn…") - oder er reagierte mit Ablehnung beziehungsweise Zurückweisung. Bevor ZDF-Journalist Theo Koll zur nächsten Frage ansetzen konnte, reichte Armin Laschet meist eine formal-rechtliche Erklärung und Legitimation für seine Haltung nach.
Thematisch habe das Interview nicht viel Neues und Konkretes ergeben. Zwar betonte Armin Laschet, dass er sich wieder wichtigen Themen zuwenden möchte, kam aber über die Benennung von Schlagworten und Zielen (Digitalisierung, Klimawandel, Schulden) nicht hinaus. So blieb das Interview weitgehend eine Ansammlung von "semantischen Leerformeln, die nicht weiter konkretisiert wurden". Den Spagat zwischen Vorschlägen zu Steuererhöhungen durch den Koalitionspartner SPD einerseits und der Forderung nach Steuersenkungen durch die Schwesterpartei CSU andererseits habe Armin Laschet "sprachlich geschickt gelöst": Er lehnte beides ab beziehungsweise befürwortete es nur unter bestimmten Bedingungen ("Steuersenkungen nur, wenn die Finanzlage es zulässt"). Eine konkrete Lösung sei er jedoch schuldig geblieben.
Selbstdarstellung
Kein Auftritt ohne Fettnäpfchen: Auf die rhetorische Frage, wen Markus Söder mit der Äußerung meine, wonach "man nicht im Schlafwagen ins Kanzleramt kommt", nannte Armin Laschet den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. "Witzig gemeint, aber diese Replik klang doch weniger schlagfertig als peinlich", betont Annette Lepschy. Ob Armin Laschet durch Reue den Imageschaden wieder gutmachen könne, den er durch sein Lachen während der Ansprache des Bundespräsidenten im Katastrophengebiet vor wenigen Tagen angerichtet habe, bleibe fraglich ("Das war blöde und ich bedaure das"). Wer sprachliches Fingerspitzengefühl besitze, hätte an dieser Stelle nicht von "blöde" gesprochen, sondern von "unangemessen".
Ob jemand "Format" hat, eine bestimmte Rolle einzunehmen oder eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, sei auch davon abhängig, wie souverän die Person mit sogenannten Statusspielen umgehe. Dem Kanzlerkandidaten der CDU/CSU falle es augenscheinlich manchmal schwer, der Versuchung zu widerstehen, auf die "Statuswippe" zu steigen, die ihm sowohl Journalisten als auch Politkollegen anbieten. Statuswippe nennt man das Wechselspiel von Fremd- und Selbsterhöhung beziehungsweise Fremd- und Selbstherabstufung. Zugrunde liegt immer folgendes Muster: Wer geht als Sieger oder Verlierer aus einem Gespräch? Sich auf dieses Statusspiel erst gar nicht einzulassen, wäre eine souveränere Handlungsweise eines potenziellen zukünftigen Kanzlers. Angesprochen auf Angela Merkels Zitat ("Er hat viele Qualifikationen") reagierte Armin Laschet mit einer Selbstbelobigung, die er aber der Kanzlerin in den Mund legte. Der Versuch, damit "understatement" zu betreiben, sei misslungen.
Zur Tonalität meint Annette Lepschy: "Die sonst häufig durchschlagende emphatisch-beschwörende Färbung der Stimme wich im Sommerinterview einem weitgehend sachlich-abgeklärten Ton." Einzige Ausnahme: Bei der Frage, warum die CDU in Thüringen nicht mit den anderen Parteien gegen Björn Höcke (AfD) gestimmt habe, reagierte er "emotional angefasst und stimmlich-sprachlich sehr deutlich" ("... dann gehen Sie ja schon wieder auf diese Typen ein… mit denen verhandeln wir nicht… Die AfD muss man bekämpfen"). Dennoch stelle sich die Frage der Glaubwürdigkeit, weil es zumindest denkbar sei, dass er mit diesem energischen Auftreten möglicherweise weitere Nachfragen zu den Ursachen der Ablehnung im Keim ersticken wollte.