![Anfang der 70er Jahre kaufte die Universität Münster das Gelände, auf dem heute die Meeresbiologische Wattstation untergebracht ist.<address>© WWU - nor</address>](http://www.uni-muenster.de/news/data/img/2021/02/11552-o2gXwblA-webL.jpg)
Außenposten am Wattenmeer
Wer den nördlichsten Außenposten der WWU kennenlernen möchte, der muss sich weit außerhalb Münsters begeben. Rund drei Stunden, vom Schloss aus betrachtet, dauert die Anreise. Vorbei an Oldenburg, weiter nach Norden die A 29 bis zur Bundesstraße 210 in Richtung Wittmund und von dort immer dem Meeresduft nach – bis nach Carolinensiel. Im Ort angekommen, geht es über die Straße Friedrichsgroden bis zur gleichnamigen Bushaltestelle, um dort rechts abzubiegen und langsam über den Bauernhof zu fahren. Nach einigen Hundert Metern über eine etwas ruppige Betonpiste zwischen Feldern und Deich ist das Haus Nummer 16 erreicht, ein roter Backsteinbau: die Meeresbiologische Wattstation der WWU.
Die Universität kaufte das Gelände zu Beginn der 1970er Jahre. „Da gab’s noch keine Labore, nur eine alte Bauernkate“, sagt Dr. Hans-Ulrich Steeger vom Institut für Zoophysiologie (IZP), der die Wattstation leitet. „Es heißt, die ersten Kurse habe Prof. Hinrich Rahmann seinerzeit noch in der Garage seines benachbarten Ferienhauses abgehalten.“ 1972 ersetzte ein Neubau die Kate. Immerhin zehn Personen konnten gleichzeitig darin arbeiten. Weil der Seminarraum rasch zu eng wurde, folgte in den 1980ern ein Anbau nach Süden, mit Platz für 16 Studierende. In diesem Zustand hat Hans-Ulrich Steeger die Station 1995 kennengelernt. „Für ein bereits bewilligtes Forschungsprojekt aus der Ökosystemforschung war die Station schon wieder zu klein geworden, die Ornithologen sind auf Campingwagen ausgewichen.“
In den beiden hintereinander gelegenen Laboren, beide rund 25 Quadratmeter groß, stehen zahlreiche Apparaturen zur Analyse von Flora und Fauna. An den Wänden hängen ausgestopfte Vögel, das Mobiliar ist einfach, aber funktional. Hier an der Küste haben schon Generationen von Studierenden Proben aus dem Wattenmeer genommen und untersucht, aus einem der produktivsten Ökosysteme der Erde. „Am Rand des Nationalparks finden sich besondere Lebensräume und somit einzigartige Tier- und Pflanzengemeinschaften in Salzwiesen, Gezeitenzonen, Watten, Prielen und Platen, auf Dünen und Stränden,“ erläutert Hans-Ulrich Steeger. Das Wattenmeer sei zudem „Kinderstube“ wichtiger Fische und Heimat von Seehunden und Kegelrobben. Die ältesten Biologischen Stationen stammen aus den 1870er Jahren. Man wollte die Darwin’schen Thesen zur Evolution erforschen. „Damals waren die Herren mit Frack und Zylinder am Meeresstrand unterwegs. Abends legten sie ihre gesammelten Fundstücke im Hotel in ihren mitgebrachten Glasbehältern in Formaldehyd ein. Für die Hotels war das etwas problematisch, deshalb wurden Feldstationen überall auf der Welt gegründet.“
In der Wattstation der WWU willkommen ist auch, wer die Labore nicht braucht, aber die besondere Arbeitsatmosphäre am Meer schätzt. Dazu zählen Fachschaften, die Dezernentenrunde und Gremien des AStA ebenso wie das Institut für Rechtsgeschichte. Externe Gäste waren Kurse der Universitäten Köln und Düsseldorf, des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie sowie Forscherinnen und Forscher des Alfred-Wegener-Institus Bremerhaven, der Vogelwarte Helgoland und angehende Nationalpark-Ranger des Landes Niedersachsen. „Darüber hinaus können wir das Haus je nach Auslastung an Erholungsgäste innerhalb der WWU vergeben“, betont Hans-Ulrich Steeger. Wegen der Pandemie können zurzeit maximal acht Studierende an den Kursen teilnehmen, mit Hygienekonzept und einem frischen, negativen Corona-Testergebnis. Die nächste Fahrt ist für Februar geplant. „Wenn dann hoffentlich eine ordentliche Hochdrucklage herrscht, haben wir zwar Frost, aber auch Windstille und schönsten Sonnenschein.“
Brigitte Heeke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 27. Januar 2021.
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