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Münster (upm)
Der Heereman’sche Hof an der Königsstraße diente einst westfälischen Adelsfamilien als Wohnsitz, heute ist die WWU Weiterbildung in dem historischen Gebäude untergebracht.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Der Heereman’sche Hof an der Königsstraße diente einst westfälischen Adelsfamilien als Wohnsitz, heute ist die WWU Weiterbildung in dem historischen Gebäude untergebracht.
© WWU - Peter Leßmann

Wo sich einst adlige Damen trafen...

Teil 4 der Gebäude-Serie: Der Heereman’sche Hof ist seit 2011 Sitz der WWU Weiterbildung

Nur noch die Fassade und der Keller waren übrig. Der Heereman’sche Hof an der Königsstraße zählte zu den 90 Prozent der Gebäude innerhalb von Münsters Promenadenring, die während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurden. Aus den Trümmern heraus ist 1947 bis 1951 ein neues Gebäude entstanden, das Äußere originalgetreu, im Inneren modernisiert. Bis 2011 war das Oberverwaltungsgericht in dem Renaissance-Giebelhaus untergebracht. Seitdem bietet die WWU Weiterbildung gGmbH, eine hundertprozentige Tochter der Universität, in dem denkmalgeschützten Haus ihre Seminare an. Geschäftsführerin Dr. Kristin Große-Bölting schwärmt von der zentralen Lage mit den vielen Möglichkeiten für ihre Studierenden rundherum. „Unsere Gäste und wir genießen eine wirklich einzigartige Atmosphäre – auch das trägt sicher ein kleines Stück zum Wohlbefinden und zum Lernerfolg bei.“

In direkter Nachbarschaft zum Prinzipalmarkt als Münsters Guter Stube gelegen, freut sich das Weiterbildungs-Team über das historisch wertvolle Domizil. „Wir haben viel Zeit und Energie in die Renovierung investiert“, erinnert sich Dr. Kristin Große-Bölting. Dabei wurde möglichst viel Bausubstanz erhalten – die Neuanschaffungen stimmte die WWU mit dem Denkmalschutz ab. Beispielsweise sei es knifflig gewesen, für den großen Seminarraum eine passende Beleuchtung zu finden, berichtet die Geschäftsführerin, zumal die historische Stuckdecke erhalten werden sollte.

Der Sitzungssaal in der ersten Etage heißt „Alter Gerichtssaal“. Die Beleuchtung an den Wänden stammt aus der Zeit, als hier das Verwaltungsgericht tagte. Der Kronleuchter ist nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ergänzt worden, um die Anforderungen an einen Seminarraum zu erfüllen.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Der Sitzungssaal in der ersten Etage heißt „Alter Gerichtssaal“. Die Beleuchtung an den Wänden stammt aus der Zeit, als hier das Verwaltungsgericht tagte. Der Kronleuchter ist nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ergänzt worden, um die Anforderungen an einen Seminarraum zu erfüllen.
© WWU - Peter Leßmann

Neben den unübersehbaren architektonischen Spuren, etwa die Stufe, auf der die Richter etwas erhöht saßen, sind manche der Räume nach ihrer vorigen (Nachkriegs-)Funktion benannt. Der Sitzungssaal in der ersten Etage heißt „Alter Gerichtssaal“, im Erdgeschoss findet sich das „Richterzimmer“. Die Möbel wurden nach Möglichkeit aufgearbeitet und sind nach wie vor im Einsatz, beispielsweise die Stühle aus dem Gerichtssaal.

Etwa 1.600 Quadratmeter umfasst die Fläche, die die Uni nutzt – vor allem von der WWU Weiterbildung sowie weiteren Wissenschaftsgruppen. Auffällig ist die großzügig geschwungene Holztreppe im Foyer, sie stammt aus der Nachkriegszeit. Die lateinische Redewendung „POST TENEBRAS SPERO LUCEM“ („Nach der Dunkelheit hoffe ich auf Licht“) aus dem biblischen Buch Hiob prangt als Inschrift an der Fassade aus Baumberger Sandstein. Gut lesbar von der Straßenseite aus steht darunter die Jahreszahl 1564: Dieses Motto aus der Reformationszeit hat sich im katholisch geprägten Münster offenbar durch alle Wirren der Jahrhunderte erhalten.

Die geschwungene Holztreppe im Eingangsbereich stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die geschwungene Holztreppe im Eingangsbereich stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Zusammen mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz beschäftigte sich 2015 ein Schulprojekt des Gymnasiums Paulinum mit dem historischen Gebäude. Die Schülerinnen und Schüler trugen alte Pläne und Fotografien zusammen, aus denen die verschiedenen baulichen Veränderungen durch die Epochen hervorgehen.

Aus der bewegten Geschichte des Gemäuers listen die Westfälischen Adelsarchive seine bisherigen Besitzer auf: Demnach erwarb die Familie Heereman den Hof an der Königsstraße 47 im Jahr 1834, 1889 kam ein neuer Bauabschnitt hinzu. Tatsächlich ist das Gebäude aber weit älter. Mitte des 16. Jahrhunderts war es von Hermann Kock erbaut worden und gelangte im Laufe der Zeit in den Besitz verschiedener Adelsfamilien, darunter die Freiherren von Schorlemer, die Grafen Plettenberg-Lenhausen und die Freiherren von Nagel zu Vornholz, die das Gebäude von 1801 bis 1830 an einen „Klub der adligen Damen“ vermieteten.

Die meisten alten Adelshöfe in Münster existieren heute nicht mehr. Früher standen sie oft Hof an Hof, besonders an zentralen Straßen wie beispielsweise in der Königsstraße, aber auch in der Neubrückenstraße und am Alten Steinweg. Die kleinen, schlossähnlichen Bauten dienten westfälischen Adelsfamilien im Winter und bei kurzen Stadtaufenthalten als Wohnsitz. Fabio Chigi, der viel zitierte päpstliche Gesandte während der Verhandlungen über den Westfälischen Frieden, beschrieb die typischen Erbmänner- und Adelshöfe in Münster sehr präzise: „Die Adeligen dagegen besitzen große Stadthöfe, die besonders durch ihre mit Schnitzereien verzierten Balken auffallen sowie durch die bläulichen Fenster, in die die Wappen der Vorfahren eingraviert sind. Über den Türen befinden sich Gemälde von Hirschen mit mächtigen Geweihen, von Hasen und Keilern mit schrecklich borstigem Fell; außerdem hängen hier zottige Felle von so manchem erlegten Tier. Solche Trophäen findet man nur in vornehmen Häusern, denn die Jagd ist ein Privileg der hohen Herren.“

Heute finden sich natürlich keine Jagdtrophäen mehr im Heereman’schen Hof, dessen Innenraum in einen modernen Bildungsort verwandelt wurde. Stattdessen stehen insgesamt sieben Tagungsräume zu Verfügung, für Gruppen zwischen zehn und siebzig Personen. Im „Alten Gerichtssaal“ finden darüber hinaus auch wissenschaftliche Tagungen statt.

„Es gibt nur wenige Gebäude, die dem Alter des Heereman’schen Hofes nahekommen und in Benutzung durch die Universität sind“, sagt Christoph Bicher vom Universitätsarchiv. „Dazu gehören die Petrikirche, das Fürstbischöfliche Schloss und die Landsbergsche Kurie.“ Übrigens gibt es eine weitere Verbindung der Familie Heereman zu Zuydtwyck mit der Universität Münster. So hatte sich der Jurist Clemens August Heereman von Zuydtwyck (1832-1903) als Politiker dafür eingesetzt, dass die Königliche Akademie in Münster 1902 wieder zu einer Volluniversität erhoben wurde. Dass in einem Wohnsitz seiner Familie heute sogar einmal Studierende ebendieser Universität lernen würden, hätte er sich wohl nicht träumen lassen ...

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 14. Oktober 2020.

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