„Es herrscht eine große Unsicherheit darüber, was man in Online-Kursen zeigen darf"
Rechtliche Fragen rund ums Internet haben schon länger Konjunktur - ein Ergebnis ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die seit 2018 gilt. Aktuell sorgt die Corona-Pandemie, die berufliche Belange ins Privatleben holt, und Studierende erstmals Vorlesungen und Seminare ausschließlich online erleben lässt, für noch mehr Sorgen rund um den Datenschutz und die Sicherheit der persönlichen Daten. Prof. Dr. Thomas Hoeren, Direktor der zivilrechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster, leitet die neu eingerichtete „Rechtsinformationsstelle E-Learning“, die Ansprechpartnerin für alle Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ist. Das nordrhein-westfälische Ministerium für Kultur und Wissenschaft hat zur Anschubfinanzierung 150.000 Euro für das Jahr 2020 bereitgestellt; eine Verlängerung um zunächst zwei bis drei Jahre gilt als sehr wahrscheinlich. Juliane Albrecht sprach mit Thomas Hoeren über die Arbeit und Ziele der Informationsstelle.
Worum handelt es sich bei der neuen Rechtsinformationsstelle?
Sie hat zwei Wurzeln. Zum einen mein enger Kontakt zur Initiative ,Digitale Hochschule NRW', in der die Hochschulen des Landes und das Forschungsministerium kooperieren - zum anderen meine jahrelange Tätigkeit als Betreuer der Forschungsstelle Recht im ,Deutschen Forschungsnetz'. Diese juristische Forschungseinheit betreut alle Anfragen bundesdeutscher Hochschulen insbesondere im Internetrecht. Da bot es sich an, diese Arbeit auf die NRW-Hochschulen fokussiert auszubauen. In der aktuellen Corona-Krise, in der sich viele Rechtsfragen zur digitalen Lehre stellen, hat das Forschungsministerium daher Nägel mit Köpfen gemacht und kurzfristig Geld für den Aufbau einer Rechtsinformationsstelle mit zwei vollen Stellen bereitgestellt. Das neue Format mit juristischen Schwerpunkt ist bundesweit einzigartig. Bis zum Spätsommer werden wir vier Mitarbeiter haben, die sich die Stellen aufteilen und verschiedene Schwerpunkte abbilden wie Datenschutz, Urheberrecht und Prüfungsrecht.
An wen richtet sich das Angebot?
Die Informationsstelle soll alle Nutzer an Universitäten und Hochschulen beraten. Angesprochen sind also vor allem Wissenschaftler und Studierende.
Was sind aus Ihrer Sicht die vordringlichen rechtlichen Probleme, die sich jetzt in Zeiten von Homeoffice und Online-Semester stellen?
Es wird zunächst vorrangig um den Datenschutz und die Datensicherheit beim Fernunterricht gehen. Hinzu kommen urheberrechtliche Fragen zur Nutzung von Materialien für die digitale Lehre. So gilt es beispielsweise, die Angst vor einem möglichen Datenmissbrauch im Online-Meeting-Portal ,Zoom' sachlich zu entmythologisieren. Es herrscht eine große Unsicherheit darüber, was man in Online-Kursen zeigen und verwenden darf - wir haben schon jetzt alle Hände voll zu tun.
Warum ist gerade Zoom so umstritten?
Es sind überwiegend selbst ernannte Sicherheitsbeauftragte, die mit Zoom geradezu hasserfüllt ins Gericht gehen und falsche Informationen verbreiten. Bei Zoom gibt es ein einziges Problem – das ist die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der gewährleistet wird, dass Nachrichten beim Sender verschlüsselt und erst beim vorgesehenen Empfänger wieder entschlüsselt werden. Auch ich würde Zoom daher nicht für besonders sensible Gespräche empfehlen, beispielsweise über medizinische Diagnosen. Die Universität Münster hat allerdings gezeigt, wie man mit einigen Handgriffen und Verhandlungen mit Zoom einen ordentlichen Datenschutzstandard etablieren kann.
Was sind die häufigsten Fragen, die Sie erreichen?
Uns erreichen beispielsweise mit Blick auf den urheberrechtlichen Schutze der Musiknotenverlage viele Fragen zur Nutzung von Musiknoten in der elektronischen Lehre. Zudem gibt es Ängste und Unsicherheiten bei Studierenden und Dozenten, wenn es um elektronische Prüfungen via Zoom geht.
Wie sollen juristische Laien vorgehen, wenn sie bezüglich Prüfungen oder Online-Lehre auf das Internet angewiesen sind?
Wichtig ist vor allem die Eigeninitiative hinsichtlich der Datensicherheit und des Datenschutzes. Man sollte auf keinen Fall all die Märchen bezüglich Zoom & Co. glauben. Und man sollte selbst alle Möglichkeiten des Datenschutzes nutzen, zum Beispiel durch die Veränderung des Bildschirm-Hintergrunds bei Videokonferenzen, den man auch unkenntlich machen kann. Wer sich jetzt in die digitale Lehre einarbeitet und mit Bedacht nutzt, hat auf Dauer gewonnen.
Was können wir aus dieser Zeit mitnehmen?
Wir müssen die Zweiklassengesellschaft in Bezug auf EDV und Internet auflösen. Unsere Gesellschaft ist bei diesem Thema gespalten. Es gibt die, die finanziell und intellektuell mit dem Internet und allen IT-Fragen umgehen können - und es gibt die anderen. Das gilt sogar an der Universität. Diese spürbare Ungleichheit muss dringend verringert werden, sei es durch staatliche Förderung oder durch nachbarschaftliches solidarisches Engagement. Vor allem junge Leute an Schulen und Hochschulen verdienen eine gezielte Informatik-Förderung. Gefordert sind vor allem Bildungspolitiker, die neue Aus- und Fortbildungsformen fördern sollten. Dies wäre auch eine Chance für die Informatik an Hochschulen.