Obwohl der menschliche Anteil am Klimawandel und seine Konsequenzen für unser Handeln mittlerweile allgemein anerkannt sind, ist der Status von Prognosen zur Entwicklung des Klimas nicht unumstritten. Zum Teil liegt das am Zusammenspiel massiver Datenmengen mit außerordentlich komplexen mathematischen Modellen, die für derartige Prognosen verwendet werden. Beide Punkte betreffen klassische Themen der Wissenschaftstheorie: die Unterbestimmtheit von Theorien durch Daten und die Rolle (mathematischer) Modelle zu Prognose- und Erklärungszwecken. Da Prognosen zur Entwicklung des Klimas die Basis weitreichender politischer Entscheidungen bilden und Folgen des Klimawandels weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen haben, ist das Thema allerdings keineswegs nur von theoretischem Interesse für die Wissenschaftstheorie. Vielmehr kann die Wissenschaftstheorie hier eine aufklärende und vermittelnde Rolle übernehmen, indem sie dazu beiträgt, Resultate und Methoden aus der Forschung für die Öffentlichkeit transparenter zu machen und damit einzuordnen. Hierzu ist eine interdisziplinäre Perspektive förderlich, die die Reflektion auf die Klimaforschung mit Einblicken in die Forschungspraxis selbst verbindet. Diesem Projekt widmet sich der hier vorgestellte Workshop.
Der Workshop ist eingebettet in ein größeres Rahmenprogramm: Im LWL Museum Münster findet von August 2023 bis Februar 2024 ein 10 Minute Museum statt. Hierbei handelt es sich um ein Exponat, anhand dessen Klimamodelle für die Öffentlichkeit anschaulich dargestellt werden sollen (siehe https://climatecrisis.imaginary.org/texts.html). Im Zuge der Ausstellung finden zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen statt, die federführend vom Exzellenzcluster Mathematik Münster: Dynamik – Geometrie – Struktur organisiert werden. Der hier vorgestellte Workshop soll das Programm um eine wissenschaftstheoretische Perspektive bereichern.
Programm
Die Veranstaltung findet am 4. Dezember 2023 im Multifunktionsraum des LWL Naturkundemuseums in Münster statt.
- 13:00 Ankunft am LWL Museum
- 13:20 – 13:30 Eröffnung
- 13:30 – 14:45 Matthias Frisch: Klimamodellierung und Entscheidungen unter Bedingungen tiefer Unsicherheit
- 15:00 – 16:15 Otto Klemm: Der Weltklimarat und seine Szenarienfamilien der zukünftigen
Klimaentwicklung
- 16:30 – 17:45 Anna Leuschner: Wissenschaftsfeindlichkeit und ihr Einfluss auf die Klimaforschung
Otto Klemm: Der Weltklimarat und seine Szenarienfamilien der zukünftigen Klimaentwicklung
Das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (deutsch: Weltklimarat) ist ein Zusammenschluss mehrerer Hundert Wissenschaftler weltweit, der etwa alle sieben Jahre einen Bericht über den aktuellen Wissensstand über das Klima und seine Entwicklung herausgibt. Klimaprojektionen für die Zukunft, beispielsweise für die Zeit gegen Ende dieses Jahrhunderts, basieren auf Annahme über die Entwicklung der globalen Gesellschaft, der Energieversorgung, der Landwirtschaft, der Handelsbeziehungen und vielem mehr. Es werden unterschiedlichste Szenarien zugrunde gelegt, über deren Eintrittswahrscheinlichkeiten trefflich gestritten werden kann. Im Vortrag werden die Arbeitsweise des IPCC skizziert und unterschiedliche Szenarienfamilien sowie deren Entwicklung vorgestellt und diskutiert.
Anna Leuschner: Wissenschaftsfeindlichkeit und ihr Einfluss auf die Klimaforschung
Wissenschaftsfeindlichkeit hat in den letzten zwei Jahrzehnten stark zugenommen. Wissenschaftler:innen in verschiedenen Forschungsbereichen werden beleidigt und lächerlich gemacht, ihre Zuverlässigkeit wird in Zweifel gezogen, und oft werden sie sogar bedroht. Die Klimaforschung ist besonders stark von dem Problem betroffen. Diese "Atmosphäre der Einschüchterung" wirkt sich auf unterschiedliche Weise auf die wissenschaftliche Arbeit aus; im schlimmsten Fall führt sie zu Verzerrungen bei der Beschaffung und Berücksichtigung empirischer Evidenz. Im Vortrag wird dies anhand von Beispielen aus der Klimawissenschaft illustriert.