(D2-7) Unbeschreibliche Gewalt: Bilderwelten des Martyriums in der Neuzeit

Das Martyrium ist in den vergangenen Jahren vermehrt in kulturgeschichtlicher Perspektive untersucht worden. Gefragt wurde nach individuellen und kollektiven Wahrnehmungs- und Deutungsformen des Martyriums in den sich herausbildenden christlichen Konfessionen Europas. Das lenkte den Blick auf Verbreitungs- und Darstellungsmedien wie Hagiographie und Historiographie, Flugschriften, Predigten und Lieder, Dichtung und Theater. Obwohl gerade auch Bildern für die Vermittlung des Martyriums eine Schlüsselfunktion zugekommen war, wurden diese bislang eher am Rande behandelt und überwiegend zur Illustration herangezogen. Damit wird man den Bildern allerdings kaum gerecht.

Martyriumsbilder sind für den Historiker nicht nur als Zeugnis einer ‚auch‘ künstlerischen Beschäftigung mit diesem Thema interessant, sondern müssen rekontextualisiert und in ihrer Virulenz für die jeweiligen Gesellschaften untersucht werden. Im Grunde sollen Bilder damit ähnlich behandelt werden wie das die Cambridger Schule um Quentin Skinner auch für politische Ideen gefordert hat: Es geht nicht so sehr um das Auffinden typischer und klassischer Motive, sondern um das Verstehen von Bildstrategien in einem bestimmten historischen Kontext. Der bildwissenschaftliche Ansatz in der Geschichte des Martyriums kann dabei ganz unterschiedliche Forschungsstränge zusammenführen: Er verbindet das Martyriums-Thema in der Malerei mit der Bildlichkeit in den gedruckten und später auch elektronischen Massenmedien.

Untersucht werden sollen die gesellschaftliche Rezeption und Wahrnehmung der Bilder vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, sowohl im christlichen wie nicht-christlichen Kontext.  Wandel und kulturelle Differenz werden damit zu wichtigen Analysekategorien. Die Martyrien und ihre Bilder erlangten in ganz unterschiedlichen Kontexten neue Relevanz, wurden reaktualisiert, wurden neu- und umgedeutet. Der interkonfessionelle (auch: interreligiöse) Vergleich der Bilderwelten erscheint besonders lohnend: Gab es unterschiedliche Bildstrategien? Konterkarierten die Bilder die jeweils andere Konfession, nahmen sie aufeinander Bezug? Ab wann ist von Bildsatire zu sprechen? Schließlich: welche Bedeutung kam den Bilderwelten des Martyriums prinzipiell für das Verhältnis und den Wandel von Religion und Politik in der Neuzeit zu? Waren Bilder vielleicht nicht nur Medium zur Stiftung von Identitäten und Alteritäten, sondern auch schon (unbeabsichtigt) ein Beitrag zur Säkularisierung?


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattformen E Differenzierung und Entdifferenzierung, F Transkulturelle Verflechtungen und H Kulturelle Ambiguität sowie der Koordinierten Projektgruppe Martyrium und Märtyrerkult.