Religion und Politik im Zivilisationsvergleich
Blumenberg-Gastprofessor Jóhann Árnason über Religion im Prozess der Modernisierung
Über Religion und Politik im Zivilisationsvergleich hat der in Island geborene Soziologe und Hans-Blumenberg-Gastprofessor Prof. Dr. Jóhann Páll Árnason in einem öffentlichen Vortrag am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ gesprochen. Er trug den Titel „Von Weber zu Eisenstadt: Religion und Politik im Zivilisationsvergleich“ und ist Teil der öffentlichen Vortragsreihe „Hans-Blumenberg-Gastprofessur“. Der emeritierte Professor für Soziologie der La Trobe University in Melbourne, Australien, führte darin aus: „Die neuere Weber-Rezeption hat viele Fehldeutungen korrigiert, aber die Akzentuierung der ‚Wirtschaftsethik der Weltreligionen‘ als Zentralthema des Zivilisationsvergleichs ist noch zu einseitig. Eine umsichtigere Lektüre zeigt, dass Weber auch die variierenden Beziehungen zwischen Religion und Politik berücksichtigt. Verbindungen zu Webers Religions- und Herrschaftssoziologie ermöglichen eine Konfrontation mit Eisenstadts vergleichender Zivilisationsanalyse.“
Entstehung der Moderne
Die Reihe trägt den Titel „Säkularisation, Entzauberung, Autonomie. Zur Frage einer religiös-politischen Konstitution der Moderne“. Sie untersucht, welche Rolle Religion im Prozess der Modernisierung spielte, ob der Übergang von vormodernen zu modernen Gesellschaften durch eine Bedeutungsabnahme von Religion möglich wurde oder gerade die Auseinandersetzung mit der Religion Voraussetzung für den Weg in die Moderne war.
Bereits zum Auftakt der Reihe am 8. Mai nahm der Soziologe das Konzept der „Umbesetzung“ von ursprünglich christlichen Sinnhorizonten in den Blick, das auf den Namensgeber der Gastprofessur, den einflussreichen Münsteraner Philosophen Hans Blumenberg (1920–1996), zurückgeht. Der Vortrag trug den Titel „Hans Blumenberg und Carl Schmitt: Hintergründe und Horizonte eines Dialogs“. In den verbleibenden zwei Vorträgen beleuchtet die Reihe weitere Theorien zur Entstehung der Moderne: Die Vorträge „Marcel Gauchet: Religion, Moderne und Demokratie“ und „Metamorphosen des Heiligen: Prolegomena zu einer Auseinandersetzung mit Hans Joas“ sind am 29. Mai und 5. Juni jeweils um 10.15 Uhr im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Raum JO 101, zu hören.
Jóhann Páll Árnason, 1940 geboren in Dalvík, Island, wendete sich nach der Promotion bei Jürgen Habermas in Frankfurt, der Habilitation an der Universität Bielefeld und der Auseinandersetzung mit der kritischen Theorie der Frankfurter Schule makrosoziologischen Fragen zu und formulierte eine Theorie der Moderne. Nach dem Wechsel nach Australien 1975 blieb Árnason der europäischen Forschungslandschaft mit Aufenthalten an renommierten europäischen Forschungseinrichtungen erhalten und wurde zu einem führenden Vertreter der vergleichenden Zivilisationsanalyse und des Theorems der „multiple modernities“. Im Sommersemester 2018 erwartet der Exzellenzcluster einen weiteren renommierten Wissenschaftler als Hans-Blumenberg-Gastprofessor. Der US-amerikanische Soziologe und Religionswissenschaftler Prof. Dr. Mark Juergensmeyer befasst sich im Juni in der öffentlichen Reihe „Religion and War“ mit der kulturellen Anziehungskraft von Religion und Krieg und erörtert, ob und wie Religion Konflikte eindämmen kann. (maz/sca)